Kein Sex mit Kindern gefordert

UN-Text über Sexualerziehung falsch interpretiert

22.06.2023, 18:28 (CEST)

Immer wieder werden im Netz Texte oder Videos verbreitet, bei denen bewusst entscheidende Passagen weggelassen werden. Nun ist das mit den UN-Leitlinien zur Sexualaufklärung geschehen.

Das Thema Jugend und Sexualität ist ein medialer Dauerbrenner. Derzeit kursiert die Behauptung auf Facebook, die UNO fordere Sexualpartner für Kinder. Dazu wird der Link «stopwordcontrol.com» geteilt. Was steckt dahinter?

Bewertung

Es gibt keine derartige Forderung der UNO. Auf der verlinkten Seite wurde ein UN-Text sinnentstellend gekürzt.

Fakten

Auf der verlinkten Seite stopwordcontrol.com findet sich ein Artikel mit der Überschrift «"Schools must equip children to have sexual partners" - say the UN and WHO». Darin werden Teile der UN-Anleitung zur Sexualerziehung «International technical guidance on sexuality education» (ITGSE) falsch zusammengefasst.

Dies kann man direkt auf der Seite erkennen, da dort Screenshots des Originaltextes eingefügt sind. So wird mit Verweis auf Abschnitt 2.1 des UN-Textes behauptet, dass Kinder auf Sexualpartner vorbereitet werden sollen.

Als angeblicher Beweis sind im Screenshot die Worte «equip children» und «sexual relationships» gelb hervorgehoben. Liest man jedoch den ganzen Satz unter der roten Markierung, wird klar, dass die Guidelines darauf abzielen, «Kinder und junge Menschen mit Wissen, Fertigkeiten, Einstellungen und Werten auszustatten, die sie dazu ermächtigen, ihre Gesundheit, Wohlbefinden und Würde zu achten und respektvolle soziale und sexuelle Beziehungen zu entwickeln.» («It aims to equip children and young people with knowledge, skills, attitudes and values that will empower them to: realize their health, well-being and dignity; develop respectful social and sexual relationships.»)

Eine zweite Hervorhebung impliziert, dass die erlernten Fähigkeiten Kindern dabei helfen könnten, Beziehungen mit sexuellen Partnern aufzubauen. Dabei steht im Originaltext: «Diese Fähigkeiten können Kindern und jungen Erwachsenen dabei helfen, respektvolle und gesunde Beziehungen mit Familienmitgliedern, Kollegen, Freunden und romantischen oder sexuellen Partner zu formen». Erneut also eine irreführende Kürzung, die die Bedeutung verdreht.

Auf Anfrage der dpa schrieb der stellvertretenden Sprecher des UNO-Generalsekretärs, Farhan Aziz Haraq: «Es gehen falsche Berichte um nach einer Misinterpretation eines Berichts vor einem Monat, und das ist einer davon.»

Der UNO-Bericht weist darauf hin, dass comprehensive sex education (CSE) («Umfassende Sexualerziehung») nachweislich zu weniger und späteren sexuellen Interaktionen, niedrigeren Zahlen an Sexualpartnern, weniger Risiken, mehr Kondomnutzung und mehr Verhütung allgemein führt.

Andere Untersuchungen kommen zu einem ähnlichen Schluss. So ergab eine Studie, die in Haryana, Indien durchgeführt wurde, dass die überwiegende Mehrheit der jugendlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Meinung waren, dass CSE unter anderem HIV/AIDS verhindern könnte. Eine «Journal of Adolescent Health» veröffentlichte Studie interpretierte Daten aus früheren Recherchen und kam zu dem Ergebnis, dass Sexualerziehung viele positive Effekte habe und bereits im Grundschulalter beginnen sollte.

(Stand: 21.6.2023)

Links

Facebook Behauptung(archiviert)

UNO Bericht von 2018 (archiviert)

Stop World Control Artikel (archiviert)

PubMed Central Studie (archiviert)

Journal of Adolescent Health (archiviert)

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