Kein sichtbares Licht

Bild aus dem Jahr 1900 zeigt Hand, durch die Strom fließt

21.06.2023, 17:43 (CEST)

Ob Energieströme oder Hand auflegen: Alternative Heilmethoden sind im Trend, obwohl Beweise für ihre Wirkung meist fehlen. Auch ein aktuell verbreitetes Foto führt in die Irre.

Esoterische Kreise beziehen sich oft auf unsichtbare Energiepotenziale, die dem Menschen zur Verfügung stehen sollen. Auf Facebook wird derzeit etwa behauptet, dass menschliche Hände und insbesondere Fingernägel laut einer «kürzlich durchgeführten Studie» Licht abgeben könnten. Bebildert wird der Beitrag mit einer Hand, die offensichtlich von einer Art Energie umgeben ist. Handelt es sich hierbei um die Emission von Licht?

Bewertung

Das Bild zeigt eine elektrifizierte Hand. Es ist keine neue Studie auffindbar, die speziell auf Lichtemissionen der menschlichen Hand eingeht. Die Biolumineszenz eines Menschen ist zwar nachweisbar, befindet sich allerdings weit außerhalb unseres Wahrnehmungsbereichs.

Fakten

Tatsächlich kann der menschliche Körper Licht ausstoßen. In der Theorie leuchten menschliche Körper, wie es bei mehreren anderen Lebewesen der Fall ist und was man in der Biologie Biolumineszenz nennt. Einer Studie aus dem Jahr 2009 zufolge sind diese Lichtemissionen beim Menschen allerdings tausendmal schwächer als das Licht, welches das menschliche Auge wahrnehmen kann.

Eine aktuelle Studie, die sich etwa auf menschliche Hände fokussiert, konnte mit detaillierten Suchen nicht gefunden werden. Eine Studie zu Photonenemissionen menschlicher Hände aus dem Jahr 2007 beschäftigte sich mit Handrücken und Handinnenfläche. Eine Studie aus dem Jahr 2005 legt nahe, dass tatsächlich die Regionen um die Fingernägel die stärkste Intensität beim Photonenausstoß aufweisen könnten. Ein Artikel aus dem Jahr 2013 zeigt allerdings, dass dies nicht auf die Fingernägel selbst begrenzt sein muss.

Tatsächlich ist es noch recht schwierig, die extrem geringen Lichtemissionen des menschlichen Körpers abzubilden. Es muss sich also vor allem die Frage stellen, woher die Abbildung kommt, die in dem Facebook-Beitrag im Kontext angeblicher Lichtemissionen der Fingernägel geteilt wird.

Verfolgt man die Herkunft des Bildes mit einer Foto-Rückwärtssuche online zurück, stößt man auf mehrere Quellen, die das Bild einem Mann namens Hermann Schnauss zuschreiben und in das Jahr 1900 datieren. Betitelt sind die Einträge mit «Electrographics of a Hand» und «Effluvia einer elektrifizierten Hand auf Photoplatte».

Die Elektrographie von Hermann Schnauss findet sich auch im Online-Archiv der Wiener Albertina. «Elektrographie einer Hand» von Hermann Schnauss aus dem Jahr 1900 ist dort in der Beschreibung zu lesen.

Die Albertina übermittelte auf Anfrage der dpa zum Herstellungsprozess des Bildes einen Ausschnitt aus der Monografie «Fotografie und das Unsichtbare: 1840 bis 1900». Darin ist das Erzeugnis in einem Abschnitt zu sogenannten Geisterfotografien zu finden.

Derartige «Fluidum-Fotografien» seien demnach entstanden, indem ein Körperteil auf eine lichtempfindliche Platte gelegt und teilweise dem Körper schwacher Strom zugeführt wurde. Einige Anhänger des Animismus versuchten dadurch, mithilfe wissenschaftlicher Techniken angebliche von Lebenden ausgehende Kräfte nachzuweisen, während es anderen wie Schnauss um das Verhalten von Elektrizität gegangen sei.

Mit einer Abgabe von Licht hat das Bild daher nichts zu tun. Zu sehen sind elektrische Kräfte eines unter schwachen Strom gesetzten menschlichen Körpers.

(Stand: 20.6.2023) 

Links

«Guardian»-Artikel zur Studie (archiviert)

Lexikon-Eintrag Biolumineszenz (archiviert)

Studie aus dem Jahr 2009 (archiviert)

Google-Suche (archiviert)

Google-Suche (archiviert)

Studie aus dem Jahr 2005 (archiviert)

Artikel aus dem Jahr 2013 (archiviert)

Studie aus dem Jahr 2007 (archiviert)

Artikel zur Abbildung menschlicher Biolumineszenz (archiviert)

Bild in Blogeintrag (archiviert)

Verweis in Google Books-Version von «Die Hand» (nicht archiviert, im Buch auf Seite 284)

Elektrographie im Online-Archiv der Albertina (archiviert)

«Fotografie und das Unsichtbare: 1840 bis 1900» (archiviert)

Beitrag auf Facebook (archiviert)

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