Stromerzeugung
24-Stunden-Wert sagt wenig über durchschnittliche CO2-Bilanz aus
25.5.2023, 11:33 (CEST)
Bis zum Jahr 2050 will die EU klimaneutral sein. Die meisten Mitgliedsstaaten haben bis dahin noch einen weiten Weg, darunter Deutschland und Frankreich. Mit diesen beiden Ländern beschäftigte sich zuletzt ein Facebook-User in einem Beitrag. Er behauptete, Deutschland habe in Bezug auf die Stromerzeugung den 30-fachen CO2-Ausstoß von Frankreich. Stimmt das?
Bewertung
Tatsächlich hat Deutschland im Bereich der Stromerzeugung eine schlechtere CO2-Bilanz als Frankreich. Das in dem Posting genannte Verhältnis ist jedoch eine Momentaufnahme, die stark vom Durchschnitt abweicht.
Fakten
In dem Beitrag sind Screenshots von einer Grafik des Anbieters Electricity Maps zu sehen. Das Unternehmen stellt Daten zur Stromerzeugung und zum Stromverbrauch und den damit einhergehenden CO2-Emissionen in über 160 Regionen zur Verfügung.
Den Screenshots zufolge handelt es sich um den Datenstand um 6 Uhr früh am 30. April 2023 und die Emissionen der vergangenen 24 Stunden. Während Deutschland in diesem Zeitraum 542 Gramm CO2-Äquivalente pro Kilowattstunde (gCO2-eq/kWh) emittiert habe, seien es in Frankreich nur 18 gCO2-eq/kWh gewesen - und damit um das 30-fache weniger, so die Behauptung.
Solch eine Momentaufnahme ist aber kaum aussagekräftig, da die Werte stark schwanken. In den sieben Tagen vor dem 30. April hatte Deutschland laut Electricity Maps durchschnittlich rund 429 und Frankreich rund 41 gCO2-eq/kWh emittiert. Das ist Faktor 10.
Noch geringer wird der Unterschied, wenn man die vergangenen zwölf Monate hernimmt. In diesem Zeitraum lagen die Emissionen in Deutschland bei 489 und in Frankreich bei 77 gCO2-eq/kWh. Das deutsche Umweltbundesamt kommt für Deutschland auf einen ähnlichen Wert: Geschätzt seien in 2022 durchschnittlich 498 Gramm CO2-Äquivalente mit Vorketten – also die indirekten Emissionen miteingerechnet - erzeugt worden. Deutschland emittierte bei der Stromerzeugung laut Electricity Maps von Mai 2022 bis April 2023 also pro Kilowattstunde etwa sechsmal so viel wie Frankreich.
Unterschiedlicher Strommix
Die Differenz zwischen den beiden Ländern kommt dadurch zustande, dass Deutschland mehr fossile Brennstoffe nutzt, die eine schlechtere CO2-Bilanz haben als andere Energiequellen. Rund 30 Prozent der Elektrizität in den letzten 12 Monaten stammte laut Electricity Maps in Deutschland aus Kohle, was rund drei Viertel der CO2-Emissionen ausmachte. In Frankreich stammte im selben Zeitraum weniger als ein Prozent der Elektrizität aus Kohle. Auch der Anteil von aus Erdgas erzeugtem Strom war in Deutschland höher als in Frankreich.
Der Löwenanteil der Elektrizität in Frankreich stammte aus der Kernenergie, nämlich rund zwei Drittel. Die Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland im April 2023 fiel hingegen nur wenig ins Gewicht, denn schon im März stammten noch rund fünf Prozent der Elektrizität aus Kernenergie.
Die CO2-Emissionen eines Landes resultieren nicht nur aus der Stromerzeugung, sondern auch aus anderen Bereichen wie beispielsweise dem Verkehr oder der Landwirtschaft. Im Jahr 2020 lag Deutschland laut dem Umweltbundesamt mit 8,8 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Kopf etwa im europäischen Mittelfeld, Frankreich mit 5,8 Tonnen CO2-Äquivalenten eher am unteren Ende.
(Stand: 25.5.2023)
Links
CO2-Emissionen durch Stromerzeugung in Deutschland
CO2-Emissionen durch Stromerzeugung in Frankreich
Bericht des Umweltbundesamtes zur Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen in Deutschland (archiviert)
APA-Artikel über Abschaltung von Atomkraftwerken in Deutschland (archiviert)
Artikel von «Spektrum» über Energiemix von Deutschland und Frankreich (archiviert)
Umweltbundesamt zu Pro-Kopf-Emissionen in EU-Ländern 2020 (archiviert)
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