Verschwörungserzählung

Artikel über Ein-Kind-Politik in den USA ist frei erfunden

20.04.2023, 17:22 (CEST)

Rund um das Weltwirtschaftsforum (WEF) werden immer wieder Verschwörungserzählungen verbreitet. Zuletzt machte etwa die Behauptung die Runde, das WEF plane für die USA eine Ein-Kind-Politik nach chinesischem Vorbild. Diese solle allerdings lediglich für «alle weißen Familien» gelten, heißt es etwa bei Twitter.

Bewertung

Es gibt keinerlei Beweise dafür, dass sich das WEF für eine solche gesellschaftspolitische Maßnahme ausgesprochen hat.

Fakten

Die 1979 eingeführte chinesische Ein-Kind-Politik blieb bis zum Jahr 2015 in dieser Form bestehen. Städter durften unter Androhung hoher Strafen nicht mehr als ein Kind zeugen, Bauern auch ein zweites, wenn das Erstgeborene ein Mädchen war. Nach vielen Jahrzehnten dieser Politik gab es erst kürzlich Lockerungen, zuletzt 2021 auf bis zu drei Kinder pro Elternpaar.

Dass die Ein-Kind-Politik zur Eindämmung des Bevölkerungswachstums bald auch in den USA eingeführt werden soll, ist hingegen aus der Luft gegriffen. Der Tweet versucht, die Behauptung durch ein dreigeteiltes Video von Sean Adl-Tabatabai zu untermauern.

Das Video, das in voller Länge auf Adl-Tabatabais Rumble-Kanal zu finden ist, verweist wiederum auf einen Artikel von «Newspunch». Das ebenso von dem Londoner betriebene Portal ist mittlerweile unter dem Namen «The People’s Voice» erreichbar, früher hieß es «YourNewsWire». Viele unseriöse Seiten ändern regelmäßig Namen und Web-Domain.

Laut «Newspunch»-Artikel soll das WEF die Medien beauftragt haben, die Idee in den Köpfen der Amerikaner zu verankern. Auf seriösen Nachrichten-Seiten gibt es zum Thema jedoch keine Artikel, wie eine Google-Suche ergibt.

Offenbar beruht der «Newspunch»-Text auf einem darin verlinkten Artikel aus dem Jahr 2015. Dort wird eine US-Professorin zitiert, die ein Buch zum Thema geschrieben hatte. Mit dem WEF hat dies nichts zu tun.

So finden sich bei einer entsprechenden Suchabfrage auf der Website des WEF in keinem der Ergebnisse Hinweise auf die angeblichen Pläne. Auf Nachfrage der niederländischen Faktencheck-Redaktion der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bestätigte ein Sprecher des WEF, dass sich die Organisation nie zu einer derartigen Maßnahme geäußert habe.

Im Gegenteil: Ein WEF-Artikel aus dem Jahr 2021 weist auf weltweit rückläufige Geburtenraten hin. Als Beispiel werden auch die USA genannt. Eine Ein-Kind-Politik, vor allem für die mit Abstand größte Bevölkerungsgruppe der Vereinigten Staaten, wäre demnach etwa für die Altersvorsorge verheerend.

(Stand: 20.4.2023)

Links

Tweet mit Videos (archiviert) (relevantes Video archiviert)

Infoblatt zu Chinas Ein-Kind-Politik (archiviert)

Artikel zur Abschaffung der Politik (archiviert)

Artikel zur Lockerung von 2021 (archiviert)

Twitter-Profil von Adl-Tabatabai (archiviert)

Porträt von Adl-Tabatabai (archiviert)

Das Video bei Rumble (Seite archiviert)

Archivierter «Newspunch»-Artikel

Artikel über Adl-Tabatabai (archiviert)

dpa-Faktencheck zu Newspunch vom 12.1.2023

Artikel zur Praxis des Domain-Änderns (archiviert)

Google-Suche (nur archiviert)

Artikel aus 2015 (archiviert)

Harvard University zu Professorin Sarah Conly (archiviert)

Abriss von Conlys Buch (archiviert)

Suche auf der WEF-Seite (archiviert)

WEF-Artikel zu Geburtenraten (archiviert)

Demographisches Profil der USA (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an factcheck-oesterreich@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.