Die Ukraine ist ein souveräner Staat

21.03.2023, 09:14 (CET)

Immer wieder versuchen User, die völkerrechtswidrige Invasion in die Ukraine zu legitimieren. Dafür halten oft Falschinfos her - zum Beispiel über das Existenzrecht der Ukraine.

Immer wieder heißt es in prorussischen Kreisen, die Ukraine sei kein echter Staat. Im März 2023 etwa steht in einem Facebook-Posting, dass die Ukraine «keine offiziell anerkannten Grenzen» habe und zu Russland gehöre. Laut einer Erklärung des damaligen UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon im Jahr 2014 habe die Ukraine ihre Grenzen seit Ende Dezember 1991 nicht mehr bei der UN «registriert». Daher begehe Russland bei seinem aktuellen Vorgehen in der Ukraine gar keine Rechtsverletzungen, heißt es. Das Ziel hinter solchen Behauptungen ist es, den russischen Angriffskrieg legitim erscheinen zu lassen.

Bewertung

Die Ukraine ist ein souveräner Staat. Für die Behauptung, dass Ban Ki-Moon dies je angezweifelt hat, gibt es keinen Beleg.

Fakten

Die Falschinformationen, die aktuell bei Facebook geteilt werden, kursierten schon wenige Tage bevor Russland Ende Februar 2022 in die Ukraine einmarschierte, im Internet. Die Ursprungsquelle dürfte allerdings noch weiter in der Vergangenheit liegen: Bereits nach der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 tauchte auf einer mittlerweile verschwundenen Webseite der prorussischen Organisation «Ukrainian Choice» die Behauptung auf, Ban Ki-Moon habe sich entsprechend geäußert. Ban Ki-Moon war von 2007 bis 2016 Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN).

Der Sprecher vom jetzigen UN-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric, sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) im Februar 2022 auf Anfrage, er könne sich an solche Aussagen von Ban Ki-Moon nicht erinnern. Dujarric war unter anderem Sprecher von Ban Ki-Moon und Kommunikationsdirektor der Vereinten Nationen, als die Äußerungen gemacht worden sein sollen.

Er sagte, er habe zur Zeit der angeblichen Äußerungen den Generalsekretär auf einer Reise nach Ruanda begleitet: «Er (Ban) hätte sich, ehrlich gesagt, zu einer so wichtigen Frage nicht während einer Afrika-Reise geäußert». Auch sonst lassen sich im Internet keine anderen Quellen für eine derartige Äußerung finden.

Auch inhaltlich widerspricht die angebliche Äußerung allem, was der damalige UN-Generalsekretär öffentlich und belegbar im Frühjahr 2014 zum Thema Ukraine erklärt hat. So heißt es in einer UN-Aussendung vom 17. März, Ban ermutige «alle Parteien, auf eine Lösung hinzuarbeiten, die sich an den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen orientiert und die Einheit und Souveränität der Ukraine respektiert».

Am 27. März 2014 beschloss die UN-Vollversammlung eine Resolution 68/262 mit dem Titel «Territoriale Integrität der Ukraine». Darin heißt es unter anderem, die Vollversammlung bekräftige «die Souveränität, politische Unabhängigkeit, Einheit und territoriale Integrität der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen».

Auch im Oktober 2022 verabschiedete die UN-Vollversammlung mit großer Mehrheit eine Resolution, die sich auf die Resolution 68/262 bezieht und in der sie alle Länder aufforderte, die vier ukrainischen Regionen, die Russland für sich beansprucht hatte, nicht anzuerkennen. Sie forderte zudem Moskau auf, in Bezug auf ihre «versuchte illegale Annexion» umzulenken. Mit der «vorübergehenden Besetzung» der Regionen Donezk, Cherson, Luhansk und Saporischja seien die «ukrainische Integrität, Souveränität und politische Unabhängigkeit verletzt worden».

An den Grenzen der Ukraine gibt es bei den Vereinten Nationen schon seit dem 24. Oktober 1945 keinen Zweifel. Damals gehörte die Ukraine zu den Gründungsmitgliedern der UN.

Ungeachtet der Zugehörigkeit zur Sowjetunion blieb die Ukraine Mitglied der Vereinten Nationen. Sie wurde daher auch nach dem Zerfall der UdSSR nicht neu aufgenommen, sondern teilte lediglich am 24. August 1991 offiziell mit, dass sie den bisherigen Namen «Sozialistische Sowjetrepublik Ukraine» aufgegeben habe und nun den Namen «Ukraine» trage.

Das Entstehen neuer Staaten und der Zerfall eines Staates in mehrere andere Staaten haben die Vereinten Nationen immer wieder beschäftigt. Deshalb wurden auch vor dem Hintergrund des Zerfalls der Sowjetunion 1999 Richtlinien festgelegt, wie in diesen Fällen zu verfahren sei. Auf den insgesamt 165 Seiten findet sich keinerlei Vorschrift, wonach Staaten ihre Grenzen bei den Vereinten Nationen zu «registrieren» hätten.

Es gibt bei den Vereinten Nationen allerdings die Möglichkeit, dass Staaten dort Verträge hinterlegen, die sie mit anderen Staaten geschlossen haben. Dazu gehört unter anderem ein von Russland und der Ukraine unterzeichneter und am 20. April 2004 in Kraft getretener Vertrag über den Grenzverlauf zwischen Russland und der Ukraine. In den 376 Seiten starken Papier ist detailliertes und umfangreiches Kartenmaterial beigefügt.

Die ukrainisch-russische Grenze wurde außerdem im Budapester Memorandum von 1994 bekräftigt.

(Stand: 21.3.23)

Links

Falschbehauptungen bei Ukrainian Choice (archiviert)

Über Ban Ki-Moon (archiviert)

UN-Aussendung (archiviert)

UN-Resolution (archiviert)

Weitere UN-Aussendung (archiviert)

Weitere UN-Resolution (archiviert)

UN-Gründungsstaaten (archiviert)

Richtlinien (archiviert)

Vertrag über Grenzverlauf

Facebook-Posting (archiviert)

dpa-Faktencheck

Budapester Memorandum (archivierter Downloadlink)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an factcheck-oesterreich@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.