Ort und Opferzahl falsch

42 Tote bei Brand von Gewerkschaftshaus in Odessa 

8.3.2023, 14:42 (CET)

Rund um einen verheerenden Brand in Odessa im Jahr 2014 gibt es unterschiedliche ukrainische und russische Dastellungen. Hergang und Opferzahl sind aber unabhängig bestätigt.

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine geht mit einem Informationskrieg einher. Der Ursprung von falscher Behauptungen liegt dabei häufig in russischen und prorussischen Quellen. Jüngst kursierte auf Facebook etwa die Behauptung, dass beim Brand des Rathauses der ukrainischen Stadt Odessa im Jahr 2014 rund 250 Menschen starben. Der ukrainische Abgeordnete Oleksii Goncharenko habe die Anordnung zur Brandstiftung gegeben, wird weiter behauptet.

Bewertung

Bei dem Brand starben 42 Menschen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass das Feuer geplant war.  

Fakten

Eine überraschende Abkühlung der Beziehung zwischen der Ukraine und der EU sowie eine Zuwendung zu Russland hatten Ende des Jahres 2013 monatelange Massenproteste in Kiew ausgelöst. Anfang 2014 wurden die Proteste auf dem ukrainischen Maidan gewaltsam und nachdem Präsident Viktor Janukowytsch abgesetzt wurde und floh, annektierte Russland die Halbinsel Krim.  

Im Zuge von Auseinandersetzungen zwischen prorussischen und Kiew-treuen Demonstranten kam es am 2. Mai 2014 zu einem Brand in einem Gewerkschaftsgebäude in der südukrainischen Hafenstadt Odessa. Dabei starben 42 Menschen. Das sagen sowohl der Europarat, die UN als auch ein wissenschaftlicher Beitrag im Journal «Geopolitics». Bei den Ausschreitungen zuvor kamen sechs Menschen ums Leben. Etwa 200 Menschen wurden an dem Tag verletzt.  

Falsch sind also die im Posting genannte Anzahl der Todesopfer infolge des Brandes sowie der Ort des Geschehens. Nicht das Rathaus in Odessa brannte ab, sondern das Gewerkschaftsgebäude am Kulikowo Pole-Platz. Das Rathaus liegt am Dumskaya Platz nahe der Küste. 

Die russische Nachrichtenagentur «Tass» spricht von 48 Menschen, die bei dem Brand starben, zählt aber vermutlich die sechs Personen, die zuvor bei den Ausschreitungen ums Leben kamen, fälschlich dazu. Trotzdem ist die Zahl der Todesopfer weit unter jener, die im Facebook-Posting angegeben wurde. 

Die Aufarbeitung der Ereignisse erwies sich laut UN als schwierig. Matilda Bogner, die Leiterin des UN-Einsatzes zur Überwachung der Menschenrechte in der Ukraine, hält fest, dass beide Seiten des Konfliktes gewalttätig gewesen seien und es in Bezug auf die Gewährleistung der Sicherheit erhebliche Missstände innerhalb der Polizei gegeben habe.  

Die Kiew-treuen Demonstranten waren demnach in der Überzahl und hätten die prorussischen Demonstranten zurückgedrängt. Diese verbarrikadierten sich in Folge im Gewerkschaftsgebäude. Mitglieder des UN-Einsatzes beobachteten, dass beide Seiten Steine und Molotowcocktails warfen, wodurch das Haus zu brennen begann. Die Feuerwehr sei erst 45 Minuten nach dem ersten Notruf gekommen.  

Die polizeilichen Ermittlungen verliefen laut UN ineffektiv, einseitig und politisch-motiviert. «Die Behörden untersuchten nur das Fehlverhalten der "Pro-Föderalisten" ("Pro-Federalists") während der Zusammenstöße, nicht aber das Fehlverhalten der "Pro-Einheit"-Anhänger ("Pro-Unity")», hieß es. Die Ermittlungen zum Feuer im Gewerkschaftsgebäude hätten zu keinen Ergebnissen geführt. Keine der beiden Seiten sei angeklagt worden.  

Ein Bericht des Europarates beschreibt, dass die Idee, das Gewerkschaftsgebäude zu blockieren, von einigen der prorussischen Demonstranten gekommen sei. Die Demonstranten, die sich für eine geeinte Ukraine einsetzten, hätten es mehrheitlich nicht geschafft, das Gebäude zu stürmen. «Forensische Untersuchungen ergaben später, dass das Feuer an fünf Stellen ausgebrochen war (…). Abgesehen von dem Feuer in der Lobby konnten die Brände nur durch die Handlungen von Personen innerhalb des Gebäudes ausgelöst worden sein», heißt es in dem Bericht.  

Es seien keine Anhaltspunkte dafür gefunden worden, dass der Brand im Voraus geplant worden war. Die geschlossenen Türen und der vom Stiegenhaus verursachte Schornsteineffekt hätten dazu geführt, dass sich das Feuer rasch ausbreiten konnte und es zu einem extremen Anstieg der Temperatur im Gebäude gekommen sei.

(Stand: 08.03.2023)

Links 

Artikel der «Deutschen Welle» über die Geschehnisse am 2. Mai (archiviert)

Bericht des Europarates (archiviert)  

Bericht der UN (archiviert)  

Wissenschaftlicher Artikel im Journal «Geopolitics» (archiviert)

Kulikowo Pole-Platz in Odessa (archiviert)

Rathaus von Odessa (archiviert)  

Bericht der russischen Nachrichtenagentur «Tass» (archiviert)

Facebook-Posting (archiviert)

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