Berichte ohne Quellenangabe

Keine Belege für angebliche Forderung Morawieckis an Selenskyj

27.02.2023, 12:24 (CET)

Rund um den Krieg in der Ukraine kursieren viele Falschinformationen. So wurde in Sozialen Medien behauptet, dass der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aufgefordert habe, die Westukraine vorübergehend Polens Schutz zu übergeben. Putin würde es nicht wagen, ein aktives Nato-Mitglied anzugreifen, so die vermeintliche Begründung Morawieckis.

Bewertung

Für die angebliche Aussage Morawieckis gibt es keine Belege. Ursprung der Behauptungen scheinen zwei russische, kremlnahe Portale zu sein.

Fakten

Aus dem Posting geht nicht hervor, wann und wo sich Morawiecki derart geäußert haben soll. So wird es Leserinnen und Lesern erschwert, die Quelle zu überprüfen.

Sucht man mit der Bilderrückwärtssuche von Yandex nach dem Bild aus dem Posting, so stößt man auf einen Screenshot eines Artikels des russischen Portals «SM News». Der russische Titel lautet übersetzt: «Morawiecki forderte Selenskyj auf, die Westukraine vorübergehend unter polnisches Protektorat zu stellen».

Der Artikel vom 6. Februar 2023 ist mittlerweile gelöscht, es gibt aber eine archivierte Version. Hier wird als Quelle für die brisante Aussage ein Bericht von «Tsargrad» genannt. Auch dieser ist nur noch als Archiv-Version auffindbar. Und auch hier fehlen Angaben zu Ort und Zeit der angeblichen Aussage Morawieckis.

Bei den beiden Webseiten handelt es sich auch nicht um unabhängige Medien, obwohl sie auf den ersten Blick so wirken mögen. «SM News» ist ein laut eigener Webseite vom russischen Digitalministerium unterstütztes Informationsportal.

«Tsargrad TV» ist ein nationalistischer, christlich-orthodoxer TV-Sender in Russland. Er gehört laut einem «Reuters»-Artikel einem russischen Oligarchen, der international aufgrund seiner Unterstützung der russischen Annexion der Krim und prorussischer Kämpfer in der Ostukraine mit Sanktionen belegt ist.

In den Archiven der APA und der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sowie in anderen deutschsprachigen oder polnischen Medien findet sich nichts, was den Behauptungen aus den beiden inzwischen gelöschten Artikeln ähnelt.

Morawiecki äußerte sich zwar am 6. Februar im Rahmen der Warschauer Konferenz über die Ukraine. Eine Aussage, die sich auf den Schutz der Westukraine bezieht, findet sich in der Presseaussendung der polnischen Regierung jedoch nicht.

(Stand: 23.2.2023)

Links

Bilderrückwärtssuche von Yandex (archiviert)

Screenshot von Artikel (archiviert)

Gelöschter Propaganda-Artikel bei «SM News»

Archiv-Version des gelöschten Textes

Gelöschter Text bei «Tsargrad»

Archiv-Version des Textes bei «Tsargrad»

Webseite von «SM News» (archiviert)

Bericht von Reuters über «Tsargrad» und seinen Besitzer (archiviert)

Sanktionen gegen Besitzer von «Tsargrad» (archiviert)

Aussendung der polnischen Regierung zu Äußerungen von Morawiecki am 6. Februar (archiviert)

Facebook-Posting (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an factcheck-oesterreich@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.