Historikern sind keine Opferungen von Regierenden gegen Epidemien in der Antike bekannt

27.02.2023, 12:14 (CET)

Die Corona-Maßnahmen der Regierung konnten und können einige Menschen nicht nachvollziehen. Ihre Kritik ist mitunter harsch bis hetzerisch. Derzeit kursiert ein Post, in dem behauptet wird, einige Völker der Antike hätten bei Epidemien angeblich Regierende geopfert, um die Götter zu besänftigen. «Nur weil ein Brauch alt ist, muss er nicht auch schlecht sein...», heißt es dazu. Belege für diese antike Sitte? Gibt es nicht.

Bewertung

In der Antike kam es laut Experten in seltenen Fällen zwar zu Menschenopferungen, allerdings ohne Bezug zu Epidemien. Die Behauptung, dass Regierende geopfert worden seien, ist falsch. 

Fakten

Richtig ist, dass Epidemien ein bedeutendes Thema für die antiken Kulturen waren, bestätigte der Medizinhistoriker Christian Schulze von der Ruhr-Universität Bochum auf Anfrage der dpa. Nur selten sei es - vor allem im archaischen Kontext - zu Menschenopfern gekommen, allerdings ohne Bezug zu einer Epidemie.

Schulz, der sich in einigen Publikationen bereits mit dem Zusammenspiel von Medizin und Religion in der Antike beschäftigt hat, ist kein einziger gesicherter Beleg über die Opferung von Regierenden aufgrund von Epidemien bekannt - weder bei den Griechen noch bei den Römern. Für andere Gesellschaften und Völker im griechisch-römischen Umfeld ließe sich aufgrund mangelnder Quellen häufig keine Aussagen treffen. Zu anderen frühen Hochkulturen könne er wenig Konkretes sagen. Aktiv sei ihm jedenfalls nichts dazu bekannt.

Rupert Breitwieser, der am Institut für Altertumswissenschaften an der Universität Salzburg tätig ist, hält die virale Behauptung für «völligen Quatsch». Er verweist auf lediglich einen Fall, in dem es laut Berichten zu einem Menschenopfer während einer Epidemie gekommen sein soll. Es sei aber unklar, ob es sich dabei bloß um Propaganda von griechischen beziehungsweise römischen Autoren handelte. 

Demnach sei während der Belagerung der Punier auf der Insel Sizilien im dritten und zweiten Jahrhundert vor Christus der Ausbruch einer Seuche als göttliche Strafe interpretiert worden. Der Feldherr Himilco soll den Berichten zufolge damals nach dem Tod seines Vorgängers einen Buben und mehrere Tiere geopfert haben, um die Götter zu besänftigen (nachzulesen in Breitwiesers Fachartikel «Seuchen und ihr Kriegsverlauf im Altertum»).

Anders als im viralen Beitrag behauptet, gibt es also keinerlei Hinweise, dass es bei einigen Völkern der Antike Brauch war, Regierende in Epidemien den Göttern zu opfern. Selbst Beispiele von Menschenopfern allgemein sind kaum zu finden.

(Stand: 27.2.2023)

Links

Rupert Breitwieser auf der Webseite der Uni Salzburg (archiviert)

Lehrveranstaltungen von Christian Schulze an der Ruhr-Universität Bochum (archiviert)

Publikation von Christian Schulze (archiviert

Beitrag auf Facebook (archiviert)  

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