Vorentwurf von WHO-Pandemievertrag bekräftigt Souveränität der Mitgliedsstaaten

24.01.2023, 16:13 (CET), letztes Update: 24.01.2023, 16:30 (CET)

Mit einem Vertrag will die WHO künftig besser auf Pandemien vorbereitet sein. Das bedeutet aber nicht, dass Mitgliedsstaaten nichts mehr mit zu reden haben - vielmehr entscheiden sie darüber.

Selten stand die Weltgesundheitsorganisation (WHO) so im Fokus wie zu Hochzeiten der Corona-Pandemie. Eine Folge davon ist, dass bis heute zahlreiche Falschinformationen rund um die Organisation kursieren. Im Jänner 2023 verbreitete sich etwa ein Video der deutschen AfD-Politikerin Nicole Höchst, in dem sie behauptete, dass es bei dem sogenannten WHO-Pandemievertrag darum gehe, die Macht über das Ausrufen einer gesundheitlichen Notlage von den Mitgliedsstaaten weg hin zur WHO zu verlagern sowie dass die Staaten bei Notfallmaßnahmen kein Mitspracherecht mehr hätten. Mit dem Vertrag versuche die WHO, die staatliche Souveränität auszuhebeln.

Bewertung

Das ist falsch. Im Vorentwurf des Vertrags wird das Prinzip der Souveränität der Mitgliedsstaaten bekräftigt. Vereinbarungen müssen im Rahmen der Verfassungen der Unterzeichnerländer angewendet werden.

Fakten

Im Dezember 2021 hat das sogenannte World Health Assembly der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschlossen, eine Vereinbarung zu treffen, um auf Pandemien besser zu reagieren oder sie verhindern zu können. Dem World Health Assembly gehören Delegationen aller 194 Mitgliedsstaaten an. Ein Gremium, genannt Intergovernmental Negotiating Body (INB), soll die Vereinbarung ausformulieren.

Im Februar 2023 sollen die Mitgliedsstaaten beginnen, über einen Vorentwurf des Vertrags zu diskutieren. Im Mai 2024 will die WHO die Verhandlungen abschließen. Schon heute ist der Vorentwurf online einsehbar. Gleich im ersten Punkt der Präambel wird bekräftigt, dass das Prinzip der Souveränität der Mitgliedsstaaten in Bezug auf die öffentliche Gesundheit sowie die Pandemieprävention, -vorbereitung und -bewältigung gewahrt wird. Der zweite Punkt garantiert die Einhaltung des Völkerrechts.

Auch auf Seite 12 heißt es unter dem Punkt Souveränität, dass die Staaten in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen das Recht haben, ihr Vorgehen im Bereich der öffentlichen Gesundheit gemäß ihrer eigenen Politik und Gesetzgebung zu bestimmen, vorausgesetzt, dass sie anderen Staaten und deren Bürgerinnen und Bürgern keinen Schaden zufügen.

Schon bisher hat die WHO durch die «International Health Regulations» von 2005 das Recht und die Pflicht, eine «gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite» zu erklären. Diese kann mit Empfehlungen - nicht Weisungen - für restriktive Maßnahmen verbunden sein. Von diesem Recht hat die WHO bei der Covid-19-Pandemie Gebrauch gemacht. Am Ende entscheiden aber die Mitgliedsstaaten über Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung.

Grundsätzlich enthalten bindende WHO-Vereinbarungen stets Hinweise darauf, dass die Unterzeichnerstaaten das Abkommen im Rahmen ihrer nationalen verfassungsmäßigen Ordnung anwenden müssen. So ist es in Artikel 19 der WHO-Verfassung festgeschrieben. Das stellt im Grundsatz sicher, dass ein internationaler Vertrag Demokratie und Parlamente eines WHO-Mitglieds nicht aushebeln kann. 

Auch im Fall des WHO-Pandemievertrags lässt sich in einer WHO-Mitteilung nachlesen, dass der Vertrag gemäß Artikel 19 und Artikel 21 der WHO-Verfassung auf seine Anwendbarkeit geprüft wird.

(Stand: 24.1.2023)

Links

WHO-Mitteilung über Treffen im Dezember 2022 (archiviert)

Verfassung der WHO (archiviert)

Über die World Health Assembly (archiviert)

Zeitplan zur Ausarbeitung des Vertrags (archiviert)

Vorentwurf des Vertrags (archiviert)

Weitere WHO-Mitteilung über Treffen im Dezember 2022 (archiviert)

«International Health Regulations» auf der Seite der WHO (archiviert)

Informationen zur «International Health Regulations» auf der Seite der US-Seuchenschutzbehörde CDC (archiviert)

Facebook-Posting (archiviert, Video archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an factcheck-oesterreich@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.