Pipeline-Leck

Flugzeuge und Schiffe können Radar-Überwachung vermeiden

25.10.2022, 15:02 (CEST)

Die Gas-Pipelines Nordstream 1 und 2 wurden in der Ostsee wohl gezielt beschädigt. Internetnutzer meinen, per Radar-Ortung ließen die Täter leicht ausmachen. Doch so einfach ist das nicht.

Als die beiden Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 Ende September beschädigt wurden, gingen Experten sehr bald darauf von einer gezielten Aktion aus. Das öffnete Anschuldigungen und diversen Theorien zum Tathergang Tür und Tor. Einige Beobachter vermuten, dass die Wahrheit vor der Öffentlichkeit verheimlicht werde. In einem Facebook-Posting heißt es etwa: «Jedes Flugzeug und Schiff wird mit Radar und ähnliches überwacht. Tut nicht so als ob ihr nicht wisst, wer die Pipeline zerstörte!»

Bewertung

Flugzeuge und Schiffe sind tatsächlich mit verschiedensten Radar-Transpondern ausgestattet, über die sich ihre Position relativ präzise bestimmen lässt. Allerdings handelt es sich dabei meist um kooperative Systeme: Soll das Transportmittel unbemerkt bleiben, kann sein Kapitän die Überwachung auch deaktivieren. 

Fakten 

Es gibt kein einheitliches System, um Flugzeuge und Schiffe zu lokalisieren. Abhängig von ihrer Größe, Alter und Funktion kommen verschiedene Technologien zum Einsatz. Bei Flugzeugen sind das ADS-B und MLAT, Leichtflugzeuge und Drohnen können mittels des Kollisionswarngeräts FLARM geortet werden. 

ADS-B-Transponder sind seit 2020 in der zivilen US-Luftfahrt verpflichtend, in der EU müssen sie seither in Flugzeugen über 5,7 Tonnen oder einer Fluggeschwindigkeit von umgerechnet über 463 Kilometern pro Stunde vorhanden und aktiv sein. Als Sekundärradargerät senden sie aktiv Signale mit den Positionsdaten des Flugzeugs. 

Empfangsgeräte, die diese Signale beispielsweise für Flugtracker wie Flightradar24 auswerten, können auch von Privatpersonen betrieben werden. Die Daten werden von den Transpondern über Navigationssatelliten bezogen und von Empfängern ausgelesen, die auch mehrere hundert Kilometer entfernt stehen können. 

ADS-B (Automatic Dependent Surveillance - Broadcast) existiert erst seit 2005, davor – und immer häufiger auch heute wieder als zusätzliches Ortungssystem – wird die Position von Flugzeugen über Multilateration (MLAT) festgestellt. Dabei werden Objekte von vier oder mehr Receivern geortet, müssen dafür aber im Normalfall mindestens 1500 Meter hoch fliegen. 

Tatsächlich muss ein Flugobjekt, das über jegliche Art eines Sekundärradar-Transponders verfügt, diesen in Europa laut Abschnitt 13 der Standardised European Rules of the Air (SERA) im Flug auch verwenden. Allerdings ist all diesen Systemen «gemeinsam, dass es kooperative Verfahren sind: sie funktionieren nur, wenn der Transponder eingeschaltet ist und funktioniert», wie die Luftraumüberwachung des österreichischen Bundesheeres dem dpa-Kooperationspartner APA erklärte. 

Schiffe senden ihre Positionsdaten auf vergleichbare Art. Laut Dennis Keßler, Fregattenkapitän bei der Deutschen Marine, lässt sich jedes Schiff mittels AIS (Automatic Identification System) verfolgen. Über Webseiten wie vesselfinder.com oder marinetraffic.com kann jeder Internetnutzer Flüsse und Meere nach Schiffen absuchen. 

Seit 2002 müssen Schiffe ab 20 Metern Länge oder einer Kapazität von 50 Passagieren mit einer AIS-Anlage ausgestattet sein, die Daten ans Festland oder andere Schiffe senden kann. Allerdings würden damit «nur die aktuellen Positionen übermittelt. Die vorausgegangenen Bewegungen lassen sich nicht nachverfolgen», erklärt Keßler. 

Abhängig vom Einsatzzweck und der Größe der Schiffe sind auch noch weitere Standards wie Long-Range Identification and Tracking (LRIT) für große Distanzen und Vessel Monitoring System (VMS) oder Electronic Reporting System (ERS) für Fischereiboote ab 12 Metern Länge in Verwendung. 

Auch hier verweist das Bundesheer auf den kooperativen Charakter: «Wer unentdeckt bleiben will, schaltet einfach den Transponder bzw. Transceiver ab.» In dieselbe Kerbe schlägt Marinekapitän Keßler: «Jeder Kapitän eines Schiffes oder Flugzeuges kann das System auch deaktivieren. Dann wird nichts mehr gesendet.» 

Hauptsächlich passiert dies bei militärischem Gerät, das unentdeckt bleiben soll. Zwar sind auch Militärflugzeuge mit ADS-B-Transpondern ausgestattet, allerdings müssen diese etwa im Kriegseinsatz nicht zwingend aktiviert werden. Trotzdem werden selbst Tarnkappen-Flugzeuge entgegen ihrem Zweck, wohl aus Unachtsamkeit ihrer Piloten, gelegentlich über Radar erkannt

(Stand: 24.10.2022) 

Links

Artikel auf rnd.de (archiviert

Artikel auf tagesschau.de (archiviert

Facebook-Posting (archiviert

Informationen zu FLARM (archiviert

Informationen zu ADS‑B (archiviert

AOPA zu ADS‑B (archiviert

Austro Control zu ADS‑B (archiviert

Allgemeine Infos zu Radargeräten (archiviert

Artikel auf zdf.de (archiviert

Erklärung MLAT bei flightradar24.com (archiviert

EASA-Informationen zu SERA (archiviert

Informationen zu AIS (archiviert

IMO-Informationen zu LRIT und VMS (archiviert

Informationen zu ERS (archiviert

Artikel auf futurezone.at (archiviert

Informationen über Tarnkappenflugzeuge (archiviert

Artikel auf businessinsider.com (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an factcheck-oesterreich@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.