Lösung unbedenklich
Antigen-Schnelltests in ihrer Anwendung auch für Laien sicher
18.10.2022, 13:23 (CEST), letztes Update: 20.10.2022, 14:06 (CEST)
Immer wieder wird versucht, Corona-Maßnahmen wie die Maskenpflicht, die Impfungen oder Testungen zu diskreditieren. Bei einer Pressekonferenz einer selbsternannten Unternehmer-Plattform (Mitschnitt in voller Länge, hier in Auszügen) wurde behauptet, dass von Antigen-Schnelltests für Privatanwender wegen giftiger Bestandteile angeblich eine Gesundheitsgefahr ausgehe. Doch das stimmt nicht.
Bewertung
Die Konzentrationen der beiden angesprochenen Stoffe in der Pufferlösung von Antigentests sind so gering, dass davon keine Gesundheitsgefahr ausgeht. Selbst bei unsachgemäßer Anwendung sind keine gesundheitlichen Schäden zu befürchten. Deshalb müssen die Stoffe auf Beipackzetteln für Privatanwender nicht gesondert ausgewiesen werden.
Fakten
Alle innerhalb der EU in Umlauf gebrachten Antigen-Testkits für Privatanwender sind mit einem CE-Prüfzeichen sowie einer vierstelligen Nummer versehen. Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) erklärte das österreichische Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG), dass eine unabhängige Prüfstelle im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens involviert gewesen sei. Durch ein solches muss ein Hersteller nachweisen, dass sein Produkt die entsprechenden Sicherheitsanforderungen erfüllt.
Die bei der Pressekonferenz präsentierte Website nennt vier untersuchte Testkits. Jedes davon trägt sowohl das CE-Zeichen als auch eine Identifikationsnummer. Drei der vier Tests sind mit «CE 0123» versehen. Diese Prüfnummer garantiert laut TÜV SÜD, dass «alle produktspezifisch geltenden EU-Richtlinien hinsichtlich Sicherheit und Funktionalität des Produkts eingehalten» wurden. Auch der vierte Test mit der CE-Nummer 1434 wurde regelkonform in Verkehr gebracht, sein Zertifikat ist online abrufbar.
Das BASG übt Kritik am Testverfahren der Gruppe «Wir-EMUs», die sich selbst als Unternehmer-Plattform bezeichnet. So wurden die Tests laut Angaben auf deren Website nach der Norm EN ISO 10993 durchgeführt. «Diese Norm befasst sich mit der Biokompatibilität von Medizinprodukten, bei denen ein Kontakt zwischen dem Produkt und dem Körper (...) vorgesehen ist», erklärt das BASG. Die Pufferlösung befindet sich bei Wohnzimmertests in einem verschlossenen Behälter, und es ist «gemäß der Zweckbestimmung kein Kontakt zwischen dem Anwender und der Pufferlösung vorgesehen», so das BASG. Zusammengefasst: Es wurde eine falsche Norm zugrunde gelegt.
Doch nicht nur das: Auf Nachfrage des Faktencheck-Teams von APA und dpa nannten «Wir-EMUs» zwar den Namen des Labors, das für sie die Tests durchgeführt haben soll. Das Österreichische Forschungsinstitut für Chemie & Technik (OFI) wies allerdings darauf hin, dass es weder im Auftrag von «Wir-EMUs» noch eines anderen Kunden eine Substanzanalyse von bei Antigentests eingesetzten Flüssigkeiten durchgeführt habe.
Die unabhängige Überprüfung soll laut «Wir-EMUs» erst mittels eines angeblichen «Tricks» möglich geworden sein. Originalflüssigkeiten aus den Tests wurden «durch einen zertifizierten Fachmann (Doktor der Biochemie und Molekularen Genetik) in neutrale Gefäße umgefüllt». Nähere Erläuterungen dazu blieben auch auf mehrmalige Anfrage aus.
Die beiden Komponenten, vor denen «Wir-EMUs» hauptsächlich warnen, sind Natriumazid und Octoxinol-9, das auch unter seinem Handelsnamen Triton X-100 bekannt ist. Beide sind als toxisch klassifiziert.
Dass die beiden Stoffe in den Gebrauchsanweisungen der Schnelltests nicht erwähnt werden, erklärt das BASG mit ihrer niedrigen Konzentration unterhalb definierter Grenzen. Laut einem Infoblatt der Deutschen Gesetzlichen Unfallsversicherung geben verschiedene Hersteller für Natriumazid in der Pufferlösung eine sehr geringe Konzentration an: zwischen einem Hundertstel und einem Zehntel Prozent. Triton X-100 ist in der Lösung in einer geringen Konzentration vorhanden; ein Hersteller etwa gebe sie mit 1,5 Prozent an, heißt es im Infoblatt.
Ein weiterer Vorwurf von «Wir-EMUs»: unzureichende Kennzeichnung und Auskunft zur Zusammensetzung der verwendeten Flüssigkeiten. Ein Sicherheitsdatenblatt zu kritischen Bestandteilen müssen Hersteller laut einem Artikel der Deutschen Apotheker Zeitung jedoch nur Händlern und professionellen Anwendern zur Verfügung stellen. So ist in der REACH-Verordnung (EG) Nr. 1907/2006, Artikel 31(4) festgelegt.
Das Schweizer Pharmaunternehmen Roche bestätigt dies auf dpa-Anfrage. Eine REACH-konforme Auflistung für professionelle Nutzer liege vor; die Informationspflicht für Anwender sei durch die beiliegende Produktinformation gewährleistet. Selbst bei Nichtbeachtung der Gebrauchsanweisung drohten dem Unternehmen zufolge keine gesundheitlichen Schäden durch die Pufferlösung.
Den Vorwurf, dass dem BASG seitens der Bundesregierung gesetzlich untersagt worden sein solle, Antigentests auf deren Inhaltsstoffe zu überprüfen, weist dieses in seiner Antwort zurück: Aufgrund der Prüfaktivität der Behörde des Europäischen Wirtschaftsraums und deren Ergebnis sei keine parallele Überprüfung der gleichen Produkte in Österreich angezeigt gewesen. Insgesamt wurden rund 100 Antigentests unterschiedlicher Hersteller geprüft, darunter auch Produkte der auf der Website von «Wir-EMUs» genannten Hersteller.
«Durch das BASG wurde stichprobenartig bei Herstellern eine Stellungnahme angefordert, ob deklarationspflichtige Substanzen in der Pufferlösung vorkommen und ob dem Hersteller schwerwiegende Vorkommnisse aufgrund der Pufferlösung bekannt sind. Den bisherigen Antworten ist zu entnehmen, dass keine Deklarationspflicht bei den verwendeten Substanzen besteht und das bis dato keine schwerwiegenden Vorkommnisse verzeichnet wurden», schrieb das BASG auf Anfrage. Schnelltests unterliegen laut BASG immer der Marktüberwachung gemäß Paragraf 75 des Medizinproduktegesetzes. Wenn dabei gesundheitliche Risiken für Anwender offenbar würden, zöge dies Maßnahmen durch das Bundesamt nach sich.
(Stand: 18.10 2022)
Aktualisierung
Im sechsten Absatz wurde ein Hinweis ergänzt, dass die APA und die dpa im Faktencheckbereich kooperieren.
Der dreizehnte Absatz wurde um ein Zitat des BASG ergänzt.
Links
Informationen zum CE-Prüfzeichen (archiviert)
CE0123 bei TÜV SÜD (archiviert)
Konformitätserklärung (archiviert)
Website zu den Testergebnissen (archiviert)
Informationen zu Natriumazid (archiviert)
Informationen zu Octoxinol-9 (archiviert)
Infoblatt der DGUV (archiviert)
Roche-Sicherheitsdatenblatt (archiviert)
Artikel DAZ.online (archiviert)
Artikel 31 REACH-Verordnung (archiviert)
Medizinproduktegesetz (archiviert)
Die komplette Pressekonferenz auf Facebook (archiviert)
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