Zahlen irreführend

CO2-Reduktion für Überleben von Mensch und Natur unerlässlich

06.10.2022, 11:34 (CEST)

Immer noch leugnen einige den vom Menschen verursachten Klimawandel. Als scheinbare Belege dafür werden irreführende Zahlen und verdrehte Fakten angeführt.

Die Klimakrise ist eines der Themen, das am häufigsten Gegenstand von Desinformation wird. Ein Telegram-Beitrag (archiviert) thematisiert etwa aktuell die CO2-Konzentration in der Luft. Sie bestehe nur zu 0,04 Prozent aus Kohlenstoffdioxid (CO2), davon seien 0,0384 Prozent auf natürliches CO2 zurückzuführen. Lediglich 0,0016 Prozent würden durch den Menschen verursacht. Zudem sei CO2 wichtig für das Wachstum von Pflanzen und Bäumen. «Wofür CO2 reduzieren?», fragt der User.

Bewertung

Die Zahlen sind irreführend. Selbst eine scheinbar nur geringe CO2-Konzentration von 0,04 Prozent in der Atmosphäre hat gravierende Folgen für das Klima. Die menschlichen Emissionen sind für die Veränderung der CO2-Konzentration seit Beginn der Industrialisierung verantwortlich, nicht die natürlichen. Um die Erderwärmung möglichst zu begrenzen, ist eine radikale Reduktion der Treibhausgasemissionen nötig.

Fakten

Die im Posting angegebenen Prozentwerte zur Zusammensetzung der Luft stimmen weitgehend. Wie sich etwa auf der Webseite der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) nachlesen lässt, besteht die Atmosphäre hauptsächlich aus Stickstoff und Sauerstoff. Hinzu kommen Gase wie Argon, Methan, Wasserstoff oder eben Kohlendioxid. Das findet sich auch auf der deutschen Informationswebseite Klimafakten.

In dieser Tabelle aus dem Jahr 2008 ist der CO2-Wert noch mit 0,038 Prozent angegeben. Es wird aber darauf hingewiesen, dass dieser Wert immer weiter ansteigt. Dem aktuellsten «State of the Global Climate»-Report der World Meteorological Organization zufolge ist der Anteil von CO2 bis zum Jahr 2020 bereits auf etwa 413 parts per million (ppm) gestiegen, was 0,04 Prozent entspricht. Ein ⁠ppm⁠ entspricht einem Molekül Kohlendioxid pro einer Million Moleküle trockener Luft. Obwohl der Anteil von CO2 am Gasgemisch in der Atmosphäre scheinbar gering wirkt, hat er starke Auswirkungen auf das Klima.

Zunächst aber zu den im Posting genannten Zahlen: Der CO2-Anteil, der darin dem Menschen zugeschrieben wird, ist die Differenz zwischen den Anteilen der Jahre 2008 und 2020. Diese Differenz dem Menschen zuzuschreiben, ergibt keinen Sinn, da sowohl 2008 als auch 2020 der Gesamtwert von CO2 in der Luft angegeben wird – natürlichen wie auch menschlichen Ursprungs. Aus der zeitlichen Entwicklung geht also nicht hervor, wie hoch der menschliche Anteil am CO2-Gehalt in der Luft ist.

Wie hoch dieser genau ist, lässt sich schwer feststellen. Allerdings gilt, dass von der Natur freigesetzte Emissionen ungefähr zu gleichen Teilen durch Ozeane und Landökosysteme wieder absorbiert werden. Das ergibt also in etwa ein Nullsummenspiel. Die durch den Menschen verursachten Emissionen kommen hinzu und können nur zum Teil wieder aufgenommen werden. Die Emissionen der Natur erhöhen die CO2-Konzentration in der Luft also nicht, die des Menschen schon.

Auf der Webseite Klimafakten wird es so erklärt: «Die Natur nimmt zwar einen Teil der menschverursachten Emissionen auf, doch etwa die Hälfte bleibt in der Erdatmosphäre und führt zu einem Nettozuwachs des CO2-Gehalts. Mit anderen Worten: Die menschverursachten Emissionen sind verantwortlich für die Veränderung der CO2-Konzentration, ("Bilanz" der CO2-Flüsse), während die natürlichen Emissionen vor allem die Gesamtsumme der Flüsse ("Umsatz" im Kohlenstoffkreislauf) bestimmen.» Auch das Umweltbundesamt geht auf diese Thematik ein.

Konkret lässt sich das an einer Grafik erkennen, die den CO2-Anteil in der Luft von vor tausenden von Jahren im Vergleich zu heute zeigt. Bis zum Beginn der Industrialisierung (18. Jahrhundert) blieb die CO2-Konzentration stabil, seither hat sie sich durch die Nutzung fossiler Brennstoffe wie Öl oder Kohle und die Abholzung von Wäldern um etwa 50 Prozent erhöht. Die CO2-Konzentration beträgt heute 150 Prozent des Wertes von 1750. In vorindustrieller Zeit lag sie bei etwa 280 ppm, im August 2022 bei 419 ppm.

Nun zur Wirkung: Der scheinbar geringe Anteil von CO2 in der Luft hat sehr wohl erhebliche Auswirkungen auf das Klima. Das WDR-Wissenschaftsmagazin Quarks veranschaulicht das Phänomen folgendermaßen: «Wichtiger als die Konzentration ist schließlich die Wirkung, so wie der Mensch kiloweise Zucker essen kann, aber wenige Nanogramm eines Giftes ausreichen können, um zu töten.»

Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen eindeutig die Ursache sind für die Erwärmung des Klimasystems. Um die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, ist laut Weltklimarat «eine radikale Reduktion der Treibhausgasemissionen weltweit insbesondere bis 2030 erforderlich.»

Die Behauptung, mehr CO2 sei gut für Pflanzen und Bäume, geht möglicherweise auf eine wissenschaftliche Publikation aus dem Jahr 2016 zurück, der zufolge die Erde seit den 1980er Jahren deutlich grüner geworden sei. Einige der Autorinnen und Autoren stellten allerdings später klar, dass ihr Papier nicht als Argument gegen Emissionsminderungen zu verwenden sei.

Denn es sei unklar, wie lange der «Ergrünungs»-Trend bei weiter steigender CO2-Konzentration anhalten werde. Es stehe fest, dass «die Vorteile einer grüner werdenden Erde hinter den voraussichtlichen negativen Auswirkungen von Extremwetterereignissen», wie etwa Dürren, Hitzewellen, Überschwemmungen, dem Anstieg des Meeresspiegels oder der Versauerung der Meere, zurückbleiben.

Auf der Webseite Klimafakten heißt es zudem, dass zwar ein «vermehrtes Angebot von Kohlendioxid» die Photosynthese wie behauptet anrege, Experimente aber gezeigt hätten, dass der sogenannte «CO2-Düngeeffekt» oft keine oder nur eine vorübergehende Wirkung auf das Wachstum habe. Andere negative Faktoren der Klimakrise würden bei dieser Annahme vernachlässigt: «Salopp gesagt wird vielen Pflanzen ein höherer CO2-Gehalt in der Luft auch deshalb keine großen Vorteile bieten, weil sie künftig häufiger versengen und verdorren.»

Der mögliche Düngeeffekt durch höhere CO2-Konzentrationen sei also im Vergleich mit anderen Umweltfaktoren, «vernachlässigbar, nur von kurzer Dauer oder auf Gewächshauskulturen beschränkt. Im Freiland werden die negativen Effekte (…) überwiegen.»

Links

ZAMG zu Zusammensetzung der Luft (archiviert)

Klimafakten zu Zusammensetzung der Luft (archiviert)

Aktueller «State of the Global Climate»-Report (archiviert)

Klimafakten zu menschlichen CO2-Emissionen (archiviert)

Umweltbundesamt zu menschlichen CO2-Emissionen (archiviert)

NASA-Grafik zu CO2-Konzentration (archiviert)

Quarks-Artikel (archiviert)

Umweltbundesamt über IPCC-Bericht (archiviert)

Zusammenfassung des IPCC-Berichts (archiviert)

Wissenschaftliche Publikation «Greening of the Earth and its drivers» (archiviert)

Stellungnahmen von Autorinnen und Autoren zu Publikation (archiviert)

Klimafakten zu Behauptungen rund um CO2 und Pflanzen (archiviert)

Telegram-Beitrag (archiviert)

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