Fehlinterpretation

TV-Sender übernahm falsche Corona-Behauptung aus Australien

30.09.2022, 10:58 (CEST)

Immer wieder versuchen Impfskeptiker, die Wirksamkeit der Corona-Schutzimpfung infrage zu stellen. Im vorliegenden Fall basieren die vermeintlichen Beweise auf einer Fehlinterpretation.

Auch wenn das Thema Covid-19 durch den Krieg in der Ukraine zuletzt aus dem Fokus rückte, verschwunden ist es nicht. So wird in einschlägigen Kreisen weiterhin vor den Impfungen gegen die Viruserkrankung gewarnt und dagegen Stimmung gemacht. Aktuelle Zahlen aus Australien sollen die faktische Unwirksamkeit der Corona-Schutzimpfung belegen.

Bewertung 

Die Zahlen im Posting basieren auf einem Blogeintrag des australischen Filmemachers und selbsternannten Menschenrechtsaktivisten Topher Field. Er behauptet, sich auf offizielle Veröffentlichungen zu berufen. Doch seine Rückschlüsse sind falsch, die Todesrate Ungeimpfter liegt im australischen Bundesstaat New South Wales deutlich höher. 

Fakten 

Im Posting des TV-Senders «AUF1» ist zu lesen: «Australien: 796 von 798 Corona Toten waren geimpft». Diese Behauptung wird im folgenden Text nicht weiter aufgeklärt. Als Quelle wird die «Gesundheitsbehörde von New South Wales» genannt, dem bevölkerungsstärksten Bundesstaat Australiens. Aus welchem Zeitraum die Zahlen stammen, wird nicht mitgeteilt. Allerdings sollen «Zahlen vom Juli» die Behauptung untermauern: «Von 142 gemeldeten Corona-Toten waren alle geimpft, 68 Prozent davon sogar dreifach».

Stammen diese Zahlen wirklich von einer offiziellen Stelle? Die Antwort darauf ist «Jein». Zwar veröffentlicht «NSW Health» seit April 2020 wöchentlich die aktuellsten Corona-Zahlen. Darin finden sich nach Durchsicht aller Dokumente auch die 142 Toten aus dem Juli – allerdings ist dies nicht die Gesamtzahl eines Monats, sondern nur jene aus der Woche vom 10. bis zum 16. Juli. 

Im öffentlich verfügbaren PDF-Dokument zu dieser Woche ist in der Einleitung von 142 Covid-Toten zu lesen, auch die 68 Prozent dreifach Geimpfter sind dort belegt. Dass aber alle 142 Toten geimpft waren, wird in einer Tabelle auf Seite 4 des Dokuments klar widerlegt. Dort sind die Todesfälle auch nach Impfstatus aufgelistet. Demnach waren 19 der 142 Toten in dieser Woche ungeimpft – bei einer Durchimpfungsrate von über 97 Prozent (zumindest eine Dosis) in New South Wales eine klare Überrepräsentation Ungeimpfter unter den Toten.

Woher kommen also die Zahlen aus dem Posting? Mit Hilfe der spärlichen Informationen und dem Google-Suchbegriff «798 covid deaths new south wales» kommt man schließlich zu einem Blogeintrag des australischen Filmemachers Topher Field. 

Field analysierte die Daten von NSW Health in der Zeitspanne vom 22. Mai bis 16. Juli 2022 anhand von wöchentlichen Veröffentlichungen auf Facebook zum aktuellen Covid-Geschehen. Die Daten dazu stammen aus dem «Covid Summary», mit dem die Gesundheitsbehörde ihren wöchentlichen Covid-Bericht aufmacht. Zählt man die Todesfälle aus dieser Zeitspanne zusammen, kommt man auf die im Posting genannten 798 Menschen. 

Der falsche Rückschluss des Bloggers: 796 der Verstorbenen waren geimpft, nur zwei ungeimpft. Er gründet diese Behauptung auf einer Formulierung, die in jedem der Wochenberichte vorkommt. Nach den Zahlen zu Coronatoten wird auch der Anteil der zumindest dreifach Geimpften genannt, sowie die Anzahl jener, die «eligible for a third dose» waren - also für eine dritte Dosis zugelassen. 

Field schlussfolgert, dass es sich dabei um Menschen handeln müsse, die bereits zweifach geimpft waren. «Es gibt keine andere Art, dies zu interpretieren», schreibt der Blogger. Dabei ist gar keine Interpretation nötig, denn wer für eine Booster-Impfung zugelassen ist, haben die australischen Behörden klar geregelt. 

NSW Health schreibt dazu, dass Jugendliche unter 16 Jahren nur mit ernsten Vorerkrankungen eine dritte Impfung erhalten sollten. Selbst in den wöchentlichen Berichten wird in einer Fußnote darauf hingewiesen. Zudem ist man unabhängig vom Alter innerhalb von drei Monaten nach der zweiten Teilimpfung nicht zu einer Auffrischung zugelassen. Die beiden («not eligible») Todesfälle in der Zeitspanne von zwei Monaten waren also mutmaßlich Jugendliche unter 16 oder Menschen, deren zweite Teilimpfung zum Zeitpunkt ihres Todes kürzer als drei Monate zurücklag. 

Zieht man die im Posting gesondert erwähnte Woche Mitte Juli exemplarisch für Fields irreführende Schlussfolgerungen heran, ist offensichtlich, dass die Impfung tödliche Verläufe sehr wohl verhindern kann. 138 der 142 Toten waren über 60 Jahre alt, in dieser Gruppe liegt die landesweite Durchimpfungsrate über 99 Prozent

Von den 19 ungeimpften Toten in dieser Woche waren nur vier unter 60 Jahre alt. Über-60-Jährige ohne Impfung waren also deutlich überrepräsentiert: Weniger als ein Prozent der Bevölkerung über 60 Jahren von New South Wales stellte in dieser Woche weit mehr als zehn Prozent der Corona-Todesfälle. Zudem waren zwei der wenigen Toten unter 65 Jahren ungeimpft. 

Im Fünf-Monats-Schnitt von Mitte Juni bis Mitte November 2021 waren Ungeimpfte mit knapp 73 Prozent der Todesfälle in der Gesamtbevölkerung des Bundesstaats bei einer Durchimpfungsrate (mindestens zwei Dosen, mindestens fünf Jahre alt) von knapp 90 Prozent ebenfalls stark überrepräsentiert. 

Field gestand die falschen Rückschlüsse zu seinen Zahlen mittlerweile ein und stellte diese Information an den Beginn seines Blogposts. Dennoch nahm er die Fehlinterpretationen aus seinem ursprünglichen Eintrag nicht von seiner Webseite. Eine Korrektur der Falschinformation in den Kanälen, die seine Behauptungen ungefragt übernahmen, blieb bisher aus.

(Stand: 29.9.2022) 

Links

Facebook-Posting (archiviert

Corona-Wochenreporte aus New South Wales (archiviert

Wochenreport vom 21. Juli 2022 (archiviert

Google-Suchergebnis (archiviert

Blogeintrag Topher Field (archiviert)

Booster-Infos von NSW Health (archiviert

Australische Durchimpfungsrate nach Alter (archiviert

NSW-Covid-Breakdown (archiviert)

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