Interne Umstrukturierung

Neues Bundeswehr-Kommando bringt keine neuen Befugnisse

28.09.2022, 14:54 (CEST)

Bilder von Uniformierten erregen Aufmerksamkeit. So verbreitet sich derzeit ein entsprechend bebilderter Blogartikel rasant. Doch der enthält falsche Behauptungen über die deutsche Bundeswehr.

Das Militär spielt seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine und nach Naturkatastrophen in den vergangenen Monaten wieder eine größere Rolle im Bewusstsein der mitteleuropäischen Bevölkerung. Derzeit wird ein Screenshot eines Artikels geteilt, der sogar behauptet, dass die deutsche Bundeswehr ab 1. Oktober auf der Straße patrouilliert. Im Text wird in diesem Zusammenhang auf eine neue Armeeeinheit verwiesen.

Bewertung

Das neue Bundeswehr-Kommando bringt keine neuen Befugnisse für die Armee. Es wurde lediglich für eine bessere Koordination erschaffen. Die Auflagen für Einsätze im Inneren bleiben weiterhin hoch.

Fakten

Der geteilte Screenshot stammt von einem Blog-Beitrag. Darin ist wie auf dem Screenshot zu lesen, dass die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) und der Generalinspekteur der deutschen Bundeswehr, Eberhard Zorn, eine neue Armeeeinheit namens «Territoriales Kommando Bundeswehr (TerrFüKdoBw)» angekündigt haben.

Tatsächlich fand am 26. September ein Aufstellungsappell für die Einheit statt. Laut dem deutschen Verteidigungsministerium werden durch die Gründung «insbesondere Führungsstrukturen gebündelt und Hierarchien flacher gestaltet».

Das Kommando für die gebündelten Aufgaben soll ab März 2023 einsatzbereit sein. Damit würde «Erkenntnissen aus der Arbeit des Corona-Krisenstabes und auch der Unterstützung im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr Rechnung getragen», sagte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht.

Durch das neue Kommando erhält die Bundeswehr insgesamt aber keine neuen Befugnisse. Dafür wäre eine Änderung des Grundgesetzes notwendig. Der Schutz von zivilen Objekten durch Streitkräfte etwa hat hohe Hürden, da dies zum äußersten Ausnahmefall im Sinne von Art. 87a Abs.4 zählt.

«Durch die Aufstellung des [neues Kommandos] ist weder ein vermehrter Einsatz der Bundeswehr im Bevölkerungsschutz beabsichtigt noch ändern sich die gesetzlichen Grundlagen für den Einsatz der Bundeswehr im "Innern"», sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage. Dieser dürfe «immer nur das äußerste Mittel sein». Die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit sei in erster Linie Aufgabe der Polizei.

Aufgaben der operativen Führung der Bundeswehr waren bisher an unterschiedlichen Standorten verteilt. Diese Aufgaben können sehr unterschiedlich sein. Neben der Landesverteidigung bzw. äußeren Sicherheit erlaubt die deutsche Verfassung auch den Einsatz im Inneren. Dies ist jedoch nur in Ausnahmen gestattet.

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags unterscheidet dabei drei Kategorien:

  • Die Amtshilfe (Art.35 Abs.1 GG), die etwa im Rahmen der Corona-Pandemie geleistet worden ist, aber auch in Form der Unterstützung mit technischen Geräten erfolgen kann.
  • Der Katastrophenfall (Art.35 Abs.2 und 3 GG), wo bei Naturkatastrophen und schweren Unglücksfällen geholfen wird.
  • Zuletzt der Innere Notstand (Art. 87a Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 91 Abs. 2 GG), bei dem eine Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes droht. Dieser hat sich jedoch noch nie ereignet und ist an strenge Bedingungen gebunden.

Sollte die Bundeswehr bei einem Aufstand in der Bevölkerung hinzugezogen werden sollen, müssten mehrere Kriterien erfüllt sein: Es müsste ein oben beschriebener innerer Notstand im Sinne von Art. 91 Abs. 2 vorherrschen, bei dem Polizei und Bundesgrenzschutz nicht ausreichen, um die drohende Gefahr für Bund oder Land zu beseitigen. Selbst dann sollen laut Wortlaut im Grundgesetz Streitkräfte nur zur Unterstützung eingesetzt werden können.

Das Bundesverfassungsgericht hat 2012 festgestellt, dass diese Voraussetzungen «selbst» im Fall einer «Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer» für den Einsatz der Bundeswehr erfüllt sein müssten. Dies gilt vor allem für die drohende Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung (siehe Rn.46), die Lage des inneren Notstandes alleine reiche nicht aus (Rn.26). Kurt Graulich, Professor an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin und Mitherausgeber einer Schriftenreihe zu Sicherheitsrecht, bestätigte der dpa, dass Passagen aus dem Urteil klar zeigen, «dass es einen Vorrang des Einsatzes polizeilicher Mittel zur Gefahrenabwehr gegenüber militärischen gibt».

(Stand: 27.9.2022)

Links

Blog-Beitrag (archiviert)

Deutsches Bundesministerium der Verteidigung zum neuen Kommando (archiviert)

Bundeswehr zum neuen Kommando (archiviert)

Tagesschau zum neuen Kommando (archiviert)

Artikel 35 GG (archiviert)

Artikel 87 GG (archiviert)

Zur Amtshilfe (archiviert)

Zum Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr (archiviert)

Grundgesetz (archiviert)

Bundesverfassungsgerichts-Urteil zum Einsatz im Inneren vom 3. Juli 2012 (archiviert)

Wissenschaftlicher Dienst des Bundestag zum Einsatz (archiviert)

Bundeswehr zum Einsatz im Inneren (archiviert)

bpb zum Einsatz (archiviert)

Bayerischer Rundfunk zum Einsatz (archiviert)

Bundesakademie für Sicherheit zum Einsatz der Bundeswehr (archiviert)

Bundeswehr im Ahrtal (archiviert)

Bundesverfassungsgerichts-Urteil zum Einsatz im Inneren vom 3. Juli 2012 (archiviert)

Wissenschaftlicher Dienst des Bundestag zum Einsatz (archiviert)

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