Plakat gefälscht
Wärmeliebende Schweizer müssen keine Angst vor Denunzianten haben
23.9.2022, 11:05 (CEST)
Der bevorstehende Winter wird für alle Menschen in Europa mit stark steigenden Heizkosten verbunden sein. Da das Thema emotional enorm aufgeladen ist, lässt sich damit auch sehr gut Aufmerksamkeit erzeugen. Ein aktuell vielfach geteiltes Foto zeigt ein vermeintliches Plakat der Schweizerischen Eidgenossenschaft, das angeblich zur Denunziation von Nachbarn aufruft. Wer seine Wohnung auf mehr als 19 Grad Celsius aufheizt, soll demnach den Behörden gemeldet werden.
Bewertung
Das Plakat ist eine Fälschung. Die Schweizer Behörden empfehlen zwar eine Raumtemperatur von 20 Grad Celsius in privaten Haushalten, kontrolliert oder gar gestraft wird aber nicht.
Fakten
Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur distanzierte sich die zuständige Stelle von dem gefälschten Aufruf im Internet. «Das Logo und die Telefonnummer des Bundes auf der Darstellung sind missbräuchlich verwendet worden», sagte Emanuela Tonasso, Mediensprecherin des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK. «Weder gibt es solche Plakate des Bundes noch entsprechende Aufrufe, es handelt sich offensichtlich um eine Manipulation. Der Bund hat Abklärungen zu diesem Missbrauch eingeleitet.»
Die Telefonnummer auf dem vermeintlichen Plakat stammt zwar vom entsprechenden Department, ist aber öffentlich einsehbar. Das Bild auf dem Plakat ist in den Datenbanken diverser Stock-Foto-Dienste zu finden und zu erwerben. Auch das Bild an sich – in dem die Plakathalterung zu sehen ist - lässt sich online finden, freilich ohne Inhalt. Es kann im Gegensatz zum Foto mit der Frau gratis verwendet werden. Das passierte in der Vergangenheit immer wieder, wie eine Bilderrückwärtssuche über Yandex zeigt.
Im vorliegenden Fall floss einige Zeit in die Bildbearbeitung: Der Hintergrund des verwendeten Fotos ist kontrastreicher als in der zum Verkauf angebotenen Originaldatei. Allfällige Wasserzeichen wurden entfernt und selbst die Spiegelung des Neonlichts aus der Vorlage des Hintergrundbildes wurde übernommen. Auch der vermeintliche Betrachtungswinkel wurde durch perspektivische Verzerrung verändert.
Die Motivation, das Plakat überhaupt zu gestalten, liegt wohl in der aktuellen Situation begründet. Zwar ist die Versorgungssicherheit des Landes laut aktuellem UVEK-Faktenblatt gesichert. Jedoch startete der Bund jüngst die Kampagne «Nicht verschwenden» mit Tipps und Informationen zum Energiesparen. Dort finden sich auch Empfehlungen zur Temperaturregulierung in Wohnräumen. Von den im Plakat erwähnten 19 Grad ist allerdings nichts zu lesen.
Dieser Wert stammt aus dem Entwurf einer schweizerischen Verordnung zu Beschränkungen der Verwendung von Gas vom 31. August 2022. Dort heißt es: «Wird die Erzeugung von Wärme überwiegend durch den Einsatz von Gas oder durch ein mit Gas betriebenes Fernwärmenetz gedeckt, so dürfen Innenräume höchstens auf 19 Grad Celsius geheizt werden.»
Dies ist allerdings laut einem offiziellen Faktenblatt erst eine spätere Eskalationsstufe an Maßnahmen im Falle einer schweren Gasmangellage. Die Kontrolle der Beschränkungen obliegt demnach den Kantonen, genauere Informationen dazu sind dem Entwurf nicht zu entnehmen.
Mit all den im Faktenblatt genannten Maßnahmen soll die vom Bundesrat zu verordnende Kontingentierung von Gas verhindert werden. Sie wäre die letzte Stufe des Maßnahmenplans. Davon wären Haushalte neben «grundlegenden sozialen Diensten» als sogenannte geschützte Verbraucher allerdings ausgenommen.
(Stand: 22.9.2022)
Links
Kommunikationsabteilung UVEK (archiviert)
Stockfoto Frau mit Telefon (archiviert)
Stockfoto Plakatwand (archiviert)
Yandex-Suchergebnis(archiviert)
Kampagne «Nicht verschwenden» (archiviert)
UVEK-Energiespartipps Heizung (archiviert)
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