Falscher Kontext

Flüchtlings-Video stammt aus dem Jahr 2015 - Kein Zusammenhang mit Klimabonus

16.09.2022, 13:47 (CEST)

Mit einem alten Video wird Stimmung gegen Flüchtlinge gemacht. Die Aufnahmen von Asylsuchenden im Burgenland haben jedoch nichts mit dem Klimabonus zu tun. Der Vergleich mit dem Jahr 2015 hinkt zudem.

Meldungen über Flüchtlingsbewegungen enthalten häufig Desinformation. Aktuell geht ein Video in den sozialen Netzwerken viral, das Flüchtlingsströme im Burgenland nahe der ungarischen Grenze im September 2022 zeigen soll.

Bewertung

Das Video stammt aus dem Jahr 2015. Die aktuelle Flüchtlingssituation an der Ostgrenze ist zudem nicht mit der Situation vor sieben Jahren vergleichbar.

Fakten

Zunächst ist an dem kursierenden Video auffällig, dass es von einem Bildschirm abgefilmt worden ist. Eine Stimme kommentiert das Geschehen. Sie gehört wahrscheinlich der Person, die filmt. Aus dem Inhalt geht hervor, dass die Aufnahme mit der Stimme höchstens ein paar Wochen alt sein kann, da vom Klimabonus für Flüchtlinge die Rede ist. Die Debatte darüber, ob dieser auch an Asylwerber ausbezahlt werden solle, entbrannte im August und September 2022.

Mehrere Jahre alt ist hingegen das eigentliche Video des Flüchtlingsstroms. Es wurde bereits im September 2015 auf Facebook gepostet. Anhand mehrerer Merkmale erkennt man, dass es sich eindeutig um dasselbe Video handelt: Die Personengruppen, das Gewand der Menschen sowie das vorbeifahrende Polizeiauto stimmen überein. Es gibt aber keine Stimme aus dem Off.

Im September 2022 veröffentlichten die FPÖ sowie der Ex-FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache das Video in den sozialen Medien aber mit dem falschen Hinweis, dass es sich um aktuelle Geschehnisse handle. FPÖ-Chef Herbert Kickl räumte mittlerweile ein, dass dem Social-Media-Team ein Fehler unterlaufen sei: «Gestern wurde auf unseren Seiten ein Video gepostet, das die Dramatik der illegalen Einwanderung in unser Land aufzeigen soll. (...) Das betreffende Video ist nicht aktuell, es stammt aus 2015.» Das Video wurde zudem vom Youtube-Kanal «FPÖ TV» gelöscht, es existiert aber eine archivierte Version.

Die aktuelle Situation an der Ostgrenze Österreichs ist nicht mit der Flüchtlingskrise 2015 vergleichbar. Damals kamen mehrere Tausend Menschen pro Tag in Österreich an, ein Großteil davon im Burgenland. Viele der Geflüchteten reisten weiter, wodurch die Anzahl der Ankommenden nicht mit der Anzahl der gestellten Asylanträge vergleichbar ist.

Zieht man aber nur die Anzahl der Asylanträge heran, so zeigt sich, dass von Jänner bis Juli 2022 tatsächlich etwas mehr Anträge gestellt wurden als im selben Zeitraum 2015. Sowohl im Juli 2015 als auch im Juli 2022 gab es ein paar Hundert Asylanträge pro Tag.

(Stand: 16.9.2022)

Links

APA-Bericht zur Debatte um Klimabonus (archiviert)

Facebook-Video von 2015 (archiviert, Video archiviert)

Nachricht im Telegram-Kanal von Herbert Kickl (archiviert)

Facebook-Beitrag von Strache (archiviert

Facebook-Beitrag mit Korrektur von Kickl (archiviert)

Gelöschtes Youtube-Video von «FPÖ TV» (archiviert)

APA-Bericht über Asylzahlen im September 2015 (archiviert)

Vorläufige Asylstatistik Jänner bis Juli 2022 (archiviert)

Asylstatistik 2015 (archiviert)

Facebook-Posting (archiviert, Video archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an factcheck-oesterreich@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.