Regenarmer Sommer
Klimawandel wirkt sich auf den Wasserstand des Neusiedler Sees aus
30.8.2022, 13:53 (CEST)
Im viertwärmsten Sommer der Messgeschichte und dem trockensten Jahr seit über 45 Jahren litt vor allem Österreichs flächenmäßig größter See unter der Hitze: Der Neusiedler See verbuchte fast täglich neue Minusrekorde beim Wasserstand. Was Landwirte, Touristiker und Naturfreunde beunruhigt, scheint einigen Beobachtern nichts auszumachen. Erinnerungen aus einer alten Chronik, die derzeit gerne geteilt werden, sollen beweisen: «Das Klima ändert sich dauernd. Mit oder ohne Menschen.» Darüber würde aber nicht berichtet, heißt es.
Bewertung
Schon vor langer Zeit gab es extreme Wetter-Ereignisse. Der Neusiedler See ist in den 1860er-Jahren tatsächlich fast vollständig ausgetrocknet. Das ist kein Geheimnis, Medien berichteten mehrfach. Ein einzelnes Wetterereignis kann verschiedene Ursachen haben und ist kein Grund, den Klimawandel infrage zu stellen.
Fakten
Der immer weiter sinkende Wasserstand des Neusiedler Sees als Sinnbild für den Klimawandel war im heurigen Sommer ein besonders präsentes Thema in den Medien. Auch die Tatsache, dass der See im 19. Jahrhundert ausgetrocknet war, fand immer wieder Eingang in die Berichterstattung. Das zeigt auch eine Google-News-Suche nach den Schlagworten «Neusiedler See ausgetrocknet 1865», die zahlreiche Ergebnisse liefert. Die «Krone» berichtete schon 2020 darüber.
Österreichs flächenmäßig größter See ist aufgrund seiner Beschaffenheit als sehr seichter Steppensee ohne nennenswerte Zuflüsse - abgesehen von der Wulka - besonders stark von Schwankungen der Niederschlagsmenge betroffen. Regnet es über einen längeren Zeitraum wenig, sinkt sein Wasserstand schnell ab – bis hin zur Austrocknung wie in den 1860er-Jahren.
Die Aufzeichnungen sind nicht komplett deckungsgleich, berichten aber alle von einer fast kompletten Austrocknung. In einem «Lehrbuch der Geographie» hielt die komplette Austrocknung von 1860 bis 1868 an, die in den Postings zitierte Fischereichronik aus 1975, die sich auf nicht näher genannte frühere Aufzeichnungen beruft, datiert die Trockenperiode auf die Jahre 1865 bis 1871.
Es war nicht die erste Austrocknung des Neusiedler Sees, dokumentiert ist dieses Phänomen auch rund 50 und 120 Jahre davor, allerdings nur für jeweils zwei Jahre. Im Gegensatz zur aktuellen Situation gab es damals noch keine Tendenz zu über Jahrzehnte stetig steigenden Durchschnittstemperaturen und Dürreperioden.
Das bisher sehr warme und trockene Jahr 2022 schlug sich nachhaltig im Wasserstand des Neusiedler Sees nieder: Seit März ist er niedriger als je zuvor seit Beginn der genauen Aufzeichnungen im Jahr 1965, zuletzt sogar mehr als 20 Zentimeter unter dem bisherigen Tiefstwert.
Doch nicht nur die extrem niedrigen Wasserstände in diesem Jahr sind auf den von der Industrialisierung beschleunigten Klimawandel zurückzuführen. Auch hohe Pegelstände sind ein direktes Resultat davon, wie etwa im Jahr 2014. Damals regnete es im Sommer am See Rekordmengen. Der Wasserstand war bis Ende Jänner 2015 hoch wie nie zuvor seit 1965, Wasser musste abgelassen werden.
Auch heftigerer Starkregen ist ein Phänomen des Klimawandels, darin sind sich Klimaexperten einig, auch wenn heutige Messmethoden unzureichend sind, um die komplexen Zusammenhänge klar nachzuweisen.
Das bei Facebook geteilte Bild ist kein Fake, es stammt tatsächlich aus einer Fischereichronik. Doch im Gegensatz zur letzten Trockenperiode vor gut 150 Jahren trifft den Menschen heute eine nicht unwesentliche Mitschuld am aktuellen Zustand des Neusiedler Sees.
(Stand: 29.8.2022)
Links
ZAMG-Sommeranalyse (archiviert)
Google-Suchergebnis (archiviert)
Krone-Artikel aus 2020 (archiviert)
Informationen zum Neusiedler See (archiviert)
Hydrographie der Wulka (archiviert)
Ausschnitt Lehrbuch der Geographie
Geschichte des Sees (archiviert)
Handelsblatt-Artikel zu Dürre in Europa (archiviert)
Wasserstand des Sees 2022 (archiviert)
Hydrographischer Dienst Burgenland (archiviert)
ZAMG-Klimainfos zum Juli 2014 (archiviert)
ORF.at-Artikel aus 2014 (archiviert)
GEO-Artikel zu Starkregen durch Erderwärmung (archiviert)
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