Russland

Künstler verbrannten "Turm von Babel" als Zeichen des Zusammenrückens

03.08.2022, 12:29 (CEST)

Ein Video zeigt, wie in Russland ein hölzerner «Turm von Babel» brennt. Verschwörungstheoretiker deuten das als Zeichen für den Abgesang auf eine angebliche «neue Weltordnung». Tatsächlich hatte die Verbrennung ganz andere Hintergründe.

Ein brennender Holzturm, der dem biblischen Turm zu Babel nachempfunden ist (archiviert), mitten in Russland - für einige Verschwörungstheoretiker ein klares Signal: Russland zeigt der Welt, dass die geplante «Neue Weltordnung» in Rauch aufgeht. Tatsächlich steckt allerdings eine moderne Interpretation eines jahrhundertealten Brauchs dahinter, deren Botschaft eindeutig ist: Liebe statt Hass. 

Bewertung:

Der hölzerne Turm wurde nicht verbrannt, um ein Zeichen gegen den “Aufbau einer Weltregierung” zu setzen. Vielmehr war die Verbrennung Anfang März der Höhepunkt eines Fests vor dem Beginn der orthodoxen Fastenzeit. 

Fakten:

In der russischen Region Kaluga befindet sich Nikola-Lenivets, ein Freiluft-Museum für moderne Kunst, das eigenen Angaben zufolge die größte Freiluft-Kunstanlage Europas ist. Wie an vielen russischen Orten wird dort gegen Ende des Winters das Masleniza-Fest gefeiert. 

Vergleichbar mit dem Fasching wird dabei eine Woche lang ausgelassen gefeiert, ehe die orthodoxe Fastenzeit beginnt. Am Ende dieser Woche wird traditionell auch eine Figur verbrannt, die Masleniza-Puppe, ähnlich dem Sonnwendhansl zur Sommersonnenwende. Beide Bräuche sind heidnischen Ursprungs. 

Im Nikola-Lenivets-Park ersetzt diese Puppe seit 2001 eines der Kunstwerke aus dem Park. Dafür gibt es mittlerweile einen jährlichen Wettbewerb. Einreichung des Gewinners wird am Ende des Fests feierlich verbrannt. 2022 fand dieser Höhepunkt am 6. März statt. 

Die Veranstalter haben sich aus symbolischen Gründen für den Turm zu Babel entschieden. Allerdings nicht, wie im Posting behauptet, als Zeichen des Sieges gegen die von Verschwörungstheoretikern oft befürchtete «Neue Weltordnung», sondern für ein Zusammenrücken, gerade in Krisenzeiten. 

Die Urheberin des Kunstwerks, die Architektin Ekaterina Poljakowa, erklärte dazu: «Ereignisse im Zusammenhang mit der Pandemie haben neue Konflikte und Zusammenstöße hervorgebracht.» Durch die Verbrennung des Turms sollten diese Konflikte symbolisch vernichtet werden. 

Nach dem Angriff russischer Truppen auf die Ukraine kurz vor Beginn des Masleniza-Fests erklärten die Veranstalter auf Instagram, dass der Turm bereits fertig gebaut war, als «die Welt sich änderte». Es sei deutlich geworden, «wie aktuell die Geschichte vom Turmbau zu Babel heute noch ist - dass Menschen, getrieben von Stolz, einander nicht mehr verstehen». 

Poljakowas ursprüngliche Intention wurde damit um einen weiteren Aspekt verstärkt. Der Instagram-Account von Nikola-Lenivets schreibt dazu weiter: “Indem wir den Turm zu Babel in Brand stecken, hoffen wir, dass jeder die Kraft in sich findet, sich mit seinem Nächsten dem Frieden zuzuwenden. Haltet aneinander fest.” 

(Stand: 1.8.2022) 

Links

Beitrag auf Facebook (Posting archiviert; Video archiviert

Website Nikola-Lenivets (archiviert

Informationen zum Masleniza-Fest (archiviert)

Erklärung Sonnwendhansl (archiviert

Informationen zur heurigen Ausgabe (archiviert

Archiv der Siegerprojekte seit 2017 (archiviert

Informationen zum Turmbau von Babel (archiviert

Übersicht “Neue Weltordnung” (archiviert

Instagram-Post vom 1. März 2022 (archiviert)

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