Blockaden in den Niederlanden

Medien berichten seit Wochen über Bauernproteste

15.7.2022, 12:30 (CEST)

Zuletzt berichteten Medien immer wieder von den niederländischen Bauernprotesten. Dennoch wird in sozialen Medien das Gegenteil behauptet - und ein altes Foto verbreitet.

In den vergangenen Wochen haben sich immer wieder niederländische Landwirte an öffentlichen Plätzen zu Protesten versammelt. Sie demonstrierten damit gegen die geplante Reduktion der Stickstoff-Emissionen im Land. Zugespitzt hatte sich die aufgeheizte Stimmung zuletzt mit Autobahnblockaden und Zwischenfällen mit der Polizei. Beobachter in sozialen Medien kritisierten die vermeintlich ausbleibende Berichterstattung in etablierten Medien. (archiviert)

Bewertung

Dass Medien nicht über die aktuellen Proteste berichten oder sie gar verheimlichen, ist unwahr. Zudem ist das in den online geteilten Beiträgen verwendete vermeintlich aktuelle Foto schon fast drei Jahre alt.

Fakten

Das Foto aus den Postings entstand nicht im Sommer 2022, sondern am 10. Oktober 2019 im niederländischen Bilthoven. Geschossen wurde es vom ANP-Fotografen Robin van Lonkhuijsen. Schon damals blockierten viele niederländische Bauern Autobahnen als Protest gegen Stickstoffgrenzwerte.

Das Foto wurde am Tag seiner Veröffentlichung in höherer Auflösung auch über Twitter verbreitet. Anhand der Position der Schaulustigen ist es als das in den Postings verwendete Bild zu identifizieren. Darauf ist klar zu erkennen, dass die Aufnahmen nicht im Sommer gemacht wurden. Die Menschen tragen Jacken, die Bäume teils rot gefärbtes Laub.

Ebenso falsch ist die Behauptung, dass die Medien die Proteste verschwiegen hätten. Eine Google-Suche nach Nachrichtenartikeln zu den Protesten belegt die Berichterstattung schon vor dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Postings am 4. Juli. Die Deutsche Presse-Agentur berichtete bereits am 10. Juni über die geplanten Maßnahmen der Regierung und den zu erwartenden Protest dagegen.

Die Stickstoff-Emissionen in den Niederlanden verstoßen schon länger gegen EU-Recht. Deshalb soll der Ausstoß des Gases stellenweise um bis zu 70 Prozent reduziert werden. Hauptverursacher ist laut einer niederländischen Studie der Agrarsektor mit 61 Prozent.

Stickstoff ist als Hauptbestandteil unserer Atemluft grundsätzlich ungefährlich. In seiner reaktiven Form ist er jedoch sehr reaktionsfreudig und bildet relativ einfach umwelt-, klima- und gesundheitsgefährdende Verbindungen.

Die nun geforderte drastische Reduktion des Stickstoff-Ausstoßes gefährdet die Existenzen von bis zu 30 Prozent aller Viehbetriebe in den Niederlanden. Maßnahmen, die nicht alle Bauern mittragen wollen, sind etwa eine Futterumstellung für Kühe oder die Verbesserung von Abluftanlagen in Schweinezuchtbetrieben. Bereits 2019 wurde sogar die Halbierung des Nutztierbestands im Land diskutiert.

Worauf die Verfasser der Facebook-Beiträge neben der angeblich ausbleibenden Berichterstattung in den Medien hinweisen wollen, ist unklar. Der Grund für die Bauernproteste waren zumindest vordergründig nicht die steigenden Lebensmittelpreise im Land, sondern die geplanten Umweltschutz-Maßnahmen der Regierung  – wie schon 2019, als das in den aktuellen Postings verwendete Foto entstanden war.

(Stand: 14.7.2022)

Links

«FAZ»-Artikel zu den aktuellen Protesten (archiviert)

Beitrag bei Facebook (archiviert)

Das Original-Foto der ANP (archiviert)

«NOS»-Artikel zu den Bauernprotesten 2019 (archiviert)

Tweet vom 16.10.2019 (archiviert)

Google-Suche zu den aktuellen Protesten (archiviert)

Artikel mit dpa-Meldung vom 10.6.2022 (archiviert)

«NZZ»-Artikel aus 2019 (archiviert)

«WOXX.lu»-Artikel aus 2019 (archiviert)

Allgemeine Informationen zu Stickstoff (archiviert)

«DER SPIEGEL»-Artikel zu den aktuellen Protesten (archiviert)

«taz»-Artikel aus 2019 (archiviert)

«Dutch News»-Artikel zur Inflation in den Niederlanden (archiviert)

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