Behauptung über Bundeswehr
Transmenschen dürfen für Deutschland als Soldaten im Einsatz sein
30.6.2022, 18:10 (CEST)
Das Ausleben der eigenen Identität sollte im Jahr 2022 keine Einschränkungen im gesellschaftlichen und beruflichen Leben mehr mit sich bringen. Das gilt auch für Bedienstete der deutschen Bundeswehr. Dort darf die sexuelle Verortung der Uniformierten kein Grund für Diskriminierung mehr sein. Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht soll jedoch einem Facebook-Posting zufolge gesagt haben, dass «Gender-Soldatinnen/Soldaten» im Kriegsfall nicht eingesetzt werden könnten, weil es «an der Front keine gendergerechten Toiletten» gebe (hier archiviert).
Bewertung
Lambrecht hat diese Aussage nicht getätigt. Das bestätigte eine Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Unklar ist zudem, was mit dem Begriff «Gender-Soldatinnen/-Soldaten» überhaupt gemeint sein soll.
Fakten
Die angebliche Aussage von Christine Lambrecht bezeichnete eine Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums auf dpa-Anfrage als «eine offensichtliche Falschmeldung». Auf einer Informationsseite des Bundesverteidigungsministeriums wird zudem heute klargestellt: «Die deutschen Streitkräfte bekennen sich zu Toleranz und Offenheit.»
Eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität ihrer Mitglieder gab es in der Bundeswehr jedoch bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. Basierend auf den Ergebnissen einer Studie wurden aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminierte Bundeswehrangehörige mittlerweile entschädigt. Ihre Situation hat sich gebessert, auch wenn es bei der Gleichstellung immer noch Aufholbedarf gibt.
Anfang 2022 trat die neue internationale Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Kraft: Jetzt gelten Transpersonen nicht mehr als in ihrer Geschlechtsidentität gestört. Eine Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums sagte der «taz», die Richtlinien würden «kontinuierlich an den Stand der Wissenschaft und die sich ändernde Gesetzesgrundlage angepasst».
Seit Ende 2017 gibt es einen «Leitfaden zum Umgang mit transgeschlechtlichen Menschen» bei der Bundeswehr. Darin finden sich auch Informationen zu sanitären Anlagen. Darin heißt es etwa: «Für die Bestimmung des Zeitpunktes, ab dem die Unterkunft/ Toilette/ Waschräume des angenommenen Geschlechts genutzt werden können, gibt es keine schematische Lösung.»
Später im Text wird auf die Verantwortung diesbezüglich hingewiesen: «Es ist Aufgabe der Dienststellenleitung bzw. der Vorgesetzten mit allen Beteiligten eine individuelle und pragmatische Vorgehensweise zu finden, die durch ein kameradschaftliches und kollegiales Miteinander getragen wird.» Hinweise auf Einschränkungen bei der Einsatzbereitschaft von transgeschlechtlichen Menschen bei der Bundeswehr liefert dieser Leitfaden nicht.
Dass das Zitat nicht von der deutschen Verteidigungsministerin stammt, lässt sich auch über eine Google-Suche herausfinden: Mit den entsprechenden Schlagwörtern aus dem Posting finden sich nur Ergebnisse, die sich mit dem gefälschten Zitat befassen. Bei keinem der Suchergebnisse ist eine Quelle, ein Datum oder ein Kontext zum angeblichen Zitat angegeben. Hätte Lambrecht sich wirklich zu einer solchen Aussage hinreißen lassen, hätte das für medialen Wirbel gesorgt.
(Stand: 30.6.2022)
Links
Beitrag bei Facebook (archiviert)
Einsätze und anerkannte Missionen der Bundeswehr (archiviert)
Info-Seite „Tabu und Toleranz“ (archiviert)
Rehabilitierung homosexueller Soldatinnen und Soldaten (archiviert)
„Standard“-Artikel zu Urteil gegen transsexuelle Soldatin (archiviert)
"Deutsche Aidshilfe" zum neuen Krankenheitenkatalog der WHO (archiviert)
„taz“-Artikel zu Transmenschen in der Bundeswehr (archiviert)
"Leitfaden zum Umgang mit transgeschlechtlichen Menschen" als pdf (archiviert)
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