Übungen gibt es mit vielen Erregern - Dokument belegt keine Planung von «Affenpockenpandemie»

15.6.2022, 17:30 (CEST)

Anhand eines Planspiels wurde im vergangenen Jahr geübt, wie im Fall eines neuen globalen Krankheitsausbruchs reagiert werden soll. Als Beispiel dienten die Affenpocken. Das Dokument ist aber kein Beleg für eine Planung der «Affenpockenpandemie».

Eine gängige Verschwörungserzählung handelt davon, dass die Corona-Pandemie geplant war. Nun wird dasselbe in Bezug auf die zuletzt vermehrt aufgetretenen Fälle von Affenpocken behauptet. So schreiben die Autoren dieses Blog-Artikels (archiviert), dass in einer Übung zu den Affenpocken auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2021 «ganz klar ein Plan erkennbar» sei. In Kommentaren zu dem Artikel in sozialen Medien (archiviert) heißt es, so sei «die "Affenpockenpandemie" geplant» worden.

Bewertung

Das ist falsch. Es handelte sich um ein Planspiel, mit dem geübt wird, wie im Fall eines globalen Krankheitsausbruchs wirksam reagiert werden kann. Für solche Szenarien werden immer wieder Erreger gewählt, die eine reale Gefahr für mögliche Ausbrüche darstellen - nicht nur Affenpocken. Daher ist es nicht unwahrscheinlich, dass es danach auch zu Ausbrüchen dieser Krankheiten kommen kann.

Fakten

Während der Münchner Sicherheitskonferenz im März 2021 veranstaltete die Organisation NTI|bio eine Übung. Wie bereits in den beiden Jahren davor ging es dabei um potenziell schwerwiegende biologische Bedrohungen. Das Szenario 2019 drehte sich etwa um einen grippeähnlichen Erreger mit einer sehr hohen Fallsterblichkeit. Im Jahr darauf war es ein genetisch verändertes H2N2-Virus.

Im dritten Jahr der Übungsreihe wurde dann ein fiktives Pandemie-Szenario um ein modifiziertes Affenpocken-Virus entworfen, das gegen Impfstoffe resistent ist. Für das Planspiel wurde eine rasante globale Ausbreitung des Erregers angenommen, die innerhalb von einem Jahr zu 27 Millionen Toten führen würde, nach weiteren sieben Monaten sogar zu mehr als 270 Millionen Toten.

Damit unterscheidet sich das Szenario stark von vergangenen Affenpocken-Ausbrüchen - und auch vom aktuellen. In der Demokratischen Republik Kongo steigt die Zahl der Infektionen zwar bereits seit Jahren - allerdings auf einem viel geringeren Niveau als im NTI-Modellszenario. 2020 belief sich die Gesamtzahl der jährlichen Verdachtsfälle laut CBC auf fast 6 300, darunter 229 Todesfälle.

Da es bereits in vielen Ländern Ausbrüche gab, entschied sich das NTI dafür, einen ähnlichen Erreger im Planspiel zu verwenden. In der Stellungnahme, in der das NTI Bezug auf die kursierende Desinformation nimmt, lassen sich weitere Details nachlesen.

Seit Anfang Mai 2022 breitet sich der vergleichsweise milde westafrikanische Stamm des Virus in Europa aus. In Österreich wurden nach Angaben der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) bisher vier Fälle von Affenpocken gemeldet (Stand 13.6.2022). In Deutschland wurden laut dem Robert Koch-Institut (RKI) 229 Fälle bestätigt (Stand 14.6.2022).

Einen Impfstoff gab es für diese Krankheit bereits vor dem Auftauchen der Affenpocken in Europa: Imvanex ist zwar in der EU bisher nur gegen Menschenpocken zugelassen, Experten gehen aber auch von einer guten Wirksamkeit bei Affenpocken aus. Mit Impfungen im Bereich bekannter Infektionscluster könne das Ausbruchsgeschehen wahrscheinlich deutlich eingegrenzt werden, sagt Ralf Bartenschlager vom Universitätsklinikum Heidelberg. Zudem gibt es ein in der EU zugelassenes Medikament.

Auch wenn sich das Planspiel von 2021 stark vom aktuellen Ausbruch unterscheidet, mag es überraschen, dass sich die Übung ausgerechnet um Affenpocken drehte. Doch es fanden schon sehr viele ähnliche Planspiele mit ganz unterschiedlichen Erregern statt. Neben den genannten Grippe-Erregern wurden beispielsweise auch Szenarien mit CoronavirenEbola, Masern, ZikaRifttalfieber oder - bei der Sicherheitskonferenz 2022 - dem Akhmeta-Virus entworfen. Angesichts der Vielzahl der Planspiele ist es kaum überraschend, dass es früher oder später tatsächlich zu Ausbrüchen mit ähnlichen Erregern kommen kann.

Stand: 15.6.2022

Links

NTI|bio (archiviert)

NTI-Artikel vom 18.3.2021 (archiviert)

NTI-Bericht 2019 (archiviert)

NTI-Bericht 2020 (archiviert)

NTI-Bericht 2021 (archiviert)

CBC-Artikel (archiviert)

NTI-Statement vom 24.5.2022 (archiviert)

AGES zu Affenpocken (archiviert)

RKI zu Affenpocken (archiviert)

F&A des RKI zu Affenpocken (archiviert)

«Standard»-Artikel über Imvanex (archiviert)

dpa-Artikel über Affenpocken via nau.ch (archiviert)

Event-201-Planspiel (archiviert)

Infectious Disease Self-Administered Tabletop Exercises

(archiviert)

Cross Border Table Top Exercise (archiviert)

NTI-Artikel vom 23.2.2022 (archiviert)

Facebook-Posting (archiviert)

tkp-Artikel (archiviert)

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