Weltwirtschaftsforum in Davos
Zahl der Privatjet-Reisen zu WEF 2022 unklar
9.6.2022, 13:33 (CEST), letztes Update: 13.6.2022, 13:06 (CEST)
Beim Weltwirtschaftsforum (WEF) ist die Klimakrise seit Jahren ein zentrales Thema. In diesem Zusammenhang wird kritisiert, dass viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit dem Flugzeug nach Davos reisen: Eine Rekordzahl von 1 500 Privatjets seien anlässlich des Weltwirtschaftsforums in der Schweiz gelandet, «um zu diskutieren wie dein CO2-Fußabdruck verringert werden kann», heißt es in einem aktuellen Facebook-Beitrag (archiviert). Dazu wird ein Foto geteilt, auf dem eine Reihe von Flugzeugen zu sehen ist.
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Es ist unklar, wie viele Teilnehmer heuer mit einem Privatjet zum Weltwirtschaftsforum in Davos angereist sind. Die Zahl 1 500 stammt aus dem Jahr 2019 und ist umstritten, das Foto wurde 2016 aufgenommen. Das WEF kompensiert nach eigenen Angaben seinen gesamten CO2-Verbrauch. Zudem stellt es seinen Teilnehmern nachhaltige Transportmöglichkeiten zur Verfügung.
Fakten
Das Foto ist nicht aktuell. Es stammt von Jänner 2016 und zeigt Passagierflugzeuge auf dem Schweizer Luftwaffenstützpunkt in Dübendorf. Der Bildunterschrift zufolge wird der Flughafen von Teilnehmern des Weltwirtschaftsforums genutzt. Arnd Wiegmann nahm das Foto für Reuters auf.
Die Behauptung bei dem Treffen habe es eine Rekordzahl von 1 500 Privatjets gegeben, geht vermutlich zurück auf einen Artikel des britischen «Guardian» aus dem Jahr 2019, der das Bild ebenfalls verwendet hatte. In der Überschrift heißt es, dass eine Rekordzahl privater Jets für die Klima-Gespräche in Davos gelandet sei. «Experten prognostizieren bis zu 1 500 private Individualflüge von und zu den Flugplätzen des Schweizer Skigebiets für das Weltwirtschaftsforum», steht im Lead.
Das Weltwirtschaftsforum (WEF) wies die Kritik zurück und schrieb ein paar Tage nach Veröffentlichung des Artikels auf seiner Webseite, dass aus Daten der beiden offiziellen Flughäfen des Forums hervorginge, dass das Ausmaß des privaten Flugverkehrs vom und zum jährlichen Treffen über die Jahre um 20 Prozent gesunken sei.
Zu diesem Ergebnis kommt das WEF folgendermaßen: Die beiden nahe gelegenen Flughäfen Zürich und St. Gallen-Altenrhein sprechen in ihren dem WEF übermittelten Daten von Flugbewegungen («air traffice movements», ATMs). Laut dem WEF werden An- und Abflüge teilweise als vier statt als zwei verschiedene Flugbewegungen gezählt, beispielsweise wenn Flugzeuge zu einer anderen Landebahn fliegen, um dort zu parken und dann wieder zu starten, um Passagiere abzuholen. Dadurch entstehe eine zu hohe und daher wenig aussagekräftige Gesamtzahl an Flugbewegungen, so das WEF, weshalb es nur mit zwei statt vier Bewegungen pro Flug rechnet.
Insgesamt hat es im Jahr 2019 der WEF-Rechnung zufolge 1 050 Flugbewegungen gegeben. 2018 seien es 1 171 gewesen. Da die beiden Flughäfen aber auch für den sonstigen Flugverkehr genutzt würden, müssten von den 1 050 Flugbewegungen 432 dem sonstigen Flugverkehr zugerechnet werden. Daher käme man 2019 auf 618 Flugbewegungen, die im Zusammenhang mit dem Weltwirtschaftsforum stehen, was 309 Flügen entspricht. «Kommerzielle Unternehmen» hätten in Medienberichten auf Grundlage einer «unspezifischen Methodik» eine «stark überhöhte Zahl an Privatjets prognostiziert», resümiert das WEF.
Der «Guardian» bezog sich in seinem Artikel auf Daten des Unternehmens Air Charter Service, das den Einsatz von Privatjets dokumentiert. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sagte ein Sprecher von Air Charter Service, dass sich die Schätzung von 1 500 Privatjets auf das Jahr 2019 bezogen habe und dass das Unternehmen seither keine weiteren solcher Analysen durchgeführt habe.
Nach Angaben von UN Today, dem offiziellen Magazin der Vereinten Nationen (UN), wurde die Zahl der Privatjets, die im Jahr 2020 zum Weltwirtschaftsforum flogen, auf 1 300 geschätzt. Unklar bleibt, ob bei dieser Zahl ebenfalls vier Flugbewegungen pro Flug sowie der Forums-unabhängige Flugverkehr hineingeflossen sind.
Als ISO-zertifiziertes Event (Anm. entspricht definierten Nachhaltigkeits-Standards) versuche das Weltwirtschaftsforum permanent seinen CO2-Fußabdruck zu reduzieren, betonen die Veranstalter. Dazu gehörten Boni für Zugreisende sowie eine Kompensation von Flug-Emissionen. Im Jahr 2018 seien damit eine Reihe von Projekten auf der ganzen Welt unterstützt worden, darunter Biogasanlagen in der Schweiz, ein hydroelektrisches Projekt in Brasilien und Windkraftanlagen in Vietnam.
Zu weiteren Bemühungen hinsichtlich Nachhaltigkeit informiert das Weltwirtschaftsforum auf seiner Webseite. So kompensiert das WEF demnach seit 2017 seinen gesamten CO2-Verbrauch durch die Unterstützung von Umweltprojekten. Zudem stellt es seinen Teilnehmern nachhaltige Transportmöglichkeiten zur An- und Abreise zur Verfügung. Mehrere Anfragen der dpa zur Anzahl der Privatjets 2022 blieben vom WEF unbeantwortet.
(Stand: 9.6.2022)
Links
Reuters-Foto vom Luftwaffenstützpunkt in Dübendorf (archiviert)
«Guardian»-Artikel (archiviert)
Beitrag des Weltwirtschaftsforums 2019 (archiviert)
Beitrag von UN Today (archiviert)
Weltwirtschaftsforum über Nachhaltigkeits-Bemühungen (archiviert)
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