Der Mann trauert um die Opfer eines Erdbebens in der Türkei 1999

26.05.2022, 16:55 (CEST)

Ein Sharepic auf Facebook (hier archiviert) will zum Nachdenken anregen. «Du weinst, weil du kein iPhone hast? Er weint, weil er kein Essen für seine Familie hat. Lerne, mit dem glücklich zu sein, was du hast!» steht auf Englisch im Begleittext eines Fotos. Es zeigt einen sichtlich mitgenommenen älteren Mann, der drei Laibe Brot im Arm hält.

Bewertung

Das Bild ist nach dem Erdbeben im türkischen Düzce im Jahr 1999 entstanden. Der Mann betrauert die Folgen der verheerenden Naturkatastrophe.

Fakten

So berechtigt die Botschaft sein mag, dass die Probleme von Menschen in reicheren Gesellschaftsschichten im Vergleich zu den Leiden in anderen sozialen Milieus oder ärmeren Ländern sehr trivial erscheinen können - der Text passt nicht zu diesem besonderen Bild. Darauf sieht man nämlich keinen Mann, der sich um seine hungernde Familie sorgt.

Das Foto ist sehr bekannt und stammt aus dem Jahr 1999 vom Erdbeben in Düzce in der Türkei. 845 Menschen verloren damals laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anatolien ihr Leben, um die 13 000 Häuser wurden zerstört.

Gemacht wurde die Aufnahme vom Fotografen Abdurrahman Antakyali. Nachdem das Bild ziemlich bekannt wurde, äußerte sich der Fotograf auch ausführlich dazu. Aus verschiedenen Interviews geht hervor, dass der Mann auf dem Bild Eşref Cengiz hieß. Antakyali zufolge betrauerte er den Tod zahlreicher Jugendlicher in dem Haus, vor dem er gestanden hatte.

Eşref Cengiz ist im Jahr 2004 gestorben. Sein Sohn gab der Nachrichtenagentur İhlas Haber Ajansi ein Interview zur Entstehungsgeschichte des Fotos. Sein Vater habe seinen Angaben zufolge das zerstörte Gebäude gesehen. Als er daraufhin von einem Brotverkäufer drei Laibe Brot in die Hand gedrückt bekommen habe, sei er so berührt gewesen, dass er zu Weinen angefangen habe.

Das Foto wurde in der Vergangenheit auch öfter in falschen Kontexten verwendet. Wegen der Brote auf dem Foto dient das Bild auch manchmal irrtümlich für die Bebilderung von Hungersnot.

(Stand: 25.5.2022)

Links

Beitrag auf Facebook (archiviert)

Nachrichtenmeldung zum Erinnern an das Erdbeben bei der Agentur Anatolien (archiviert)

«Journo»-Interview mit Fotograf (archiviert)

Interview bei «Mavi Düzce» (archiviert)

«Milliyet»-Artikel zum Foto (archiviert)

Interview mit Sohn auf Youtube (archiviert)

«Hurriyet»-Artikel zu missbräuchlich verwendetem Foto (archiviert)

Foto in Präsentation zu Ernährungshilfe (archiviert, archiviert)

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: factcheck-oesterreich@dpa.com