Mangel an Säuglingsnahrung

Fabrikschließung und Logistik-Probleme sorgten für Babymilch-Krise

27.05.2022, 16:09 (CEST), letztes Update: 03.06.2022, 14:52 (CEST)

In den USA ist Säuglingsnahrung knapp und schon wird ein altbekannter Verschwörungsmythos aus dem Hut gezaubert: Bill Gates soll daran Schuld sein.

In den USA gibt es einen Mangel an Babymilchpulver. Das befeuert Verschwörungstheorien und Falschbehauptungen in sozialen Netzwerken. Auf Facebook etwa (hier archiviert) wird behauptet, der Microsoft-Gründer Bill Gates treibe den Mangel an Säuglingsnahrung voran. So habe er in ein Start-up investiert, das an einer im Labor hergestellten Muttermilch forsche. Weiter wird behauptet: Die Gates Foundation soll der britischen Zeitung «The Guardian» eine hohe Geldsumme bezahlt haben, woraufhin diese einen Artikel veröffentlichte, in dem das Stillen als schlecht für die psychische Gesundheit von Müttern kritisiert wird.

Bewertung

Für einen Zusammenhang gibt es keine Belege. Der Versorgungsengpass von Babymilch ist vor allem auf eine Fabrikschließung und Lieferketten-Probleme in den USA zurückzuführen. Bei dem Artikel des «Guardian» handelt es sich um einen Meinungsbeitrag.

Fakten

In einigen Postings mit demselben Wortlaut wird auf einen Blog-Artikel verlinkt, in dem der Name des Start-ups genannt wird: «Biomilq». Das Unternehmen gibt es tatsächlich, die Gründerinnen heißen Leila Strickland und Michelle Egger. Gates' Investmentfirma Breakthrough Energy Ventures ist allerdings einer der Hauptinvestoren. Das geht aus dem Wirtschaftsnachrichten-Portal «crunchbase» (hier und hier) hervor.

Wissenschafterinnen und Wissenschafter forschen seit Jahren daran, Muttermilch im Labor zu imitieren. «Biomilq» arbeitet dafür mit mütterlichen Brustepithelzellen, die erst im Labor kultiviert werden und dann die Milchproduktion anregen sollen. Laut einer Aussage einer Verantwortlichen des Unternehmens seien zwar erste Fortschritte bei der Entwicklung gemacht worden. Bis das Produkt auf den Markt kommen könnte, kann es jedoch noch mehrere Jahre dauern.

Zu dieser Einschätzung kommt auch Christian Albring, Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte. «Die Herstellung von Muttermilch aus Zellen befindet sich im Stadium der Grundlagenforschung. Dieser Ansatz lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder bewerten noch kommentieren» , sagte er im Jahr 2021 der «Zeit». Die Entwicklung der künstlichen Muttermilch kann also nicht der Grund für den Versorgungsengpass sein.

Vielmehr gibt es für die Lieferschwierigkeiten andere Ursachen: Anfang des Jahres wurde eine große Fabrik für Babymilch geschlossen, nachdem US-Behörden Unregelmäßigkeiten bei der Produktion festgestellt hatten. Zusätzlich gibt es in den USA aufgrund der Corona-Pandemie immer noch Probleme in den Lieferketten und einen Mangel an Arbeitskräften.

Den im Facebook-Posting und im Blog-Artikel angesprochenen kritischen «Guardian»-Artikel mit dem Namen «Turns out breastfeeding really does hurt - why does no one tell you?» (Übersetzt: Wie sich gezeigt hat, tut Stillen ziemlich weh - warum sagt einem das niemand?) gibt es tatsächlich. Bei dem Text handelt es sich aber um einen Meinungsbeitrag, geschrieben von der Kolumnistin Rhiannon Lucy Cosslett.

In dem Text berichtet Cosslett über ihre schwierige Stillerfahrung, die Kultur des Stillens und Erwartungen der Gesellschaft an Mütter. Solche Artikel haben - anders als klassische Nachrichten - keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit und sind als Kommentare gekennzeichnet.

(Stand: 27.5.2022)

Links

Beitrag bei Facebook (archiviert)

Blog-Artikel (archiviert)

«crunchbase» über «BIOMILQ» (archiviert)

«crunchbase» über Investoren von «Biomilq» (archiviert)

Informationen zu Muttermilch und Stillen (archiviert)

Informationen zur Forschung zur künstlichen Muttermilch von «Biomilq» (archiviert)

Archivierter «Zeit»-Artikel über Babymilch aus dem Labor

Washington Post-Artikel mit Auflistung von Gründen für den Versorgungsengpass (archiviert)

Warnung der US-Gesundheitsbehörde FDA vor Babymilchpulver aus Michigan (archiviert)

Artikel beim "Spiegel" über den Versorgungsengpass (archiviert)

Meinungsbeitrag in «The Guardian» (archiviert)

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