Umgeworfene Fahrzeuge sollen Berichten zufolge Barrieren gewesen sein
24.5.2022, 11:34 (CEST)
Rund um die möglichen Kriegsverbrechen in der ukrainischen Stadt Butscha kursierten in den vergangenen Wochen mehrere falsche und irreführende Behauptungen. Eine davon betrifft ein Foto (hier archiviert), auf dem mehrere Autos zu sehen sind, die auf dem Dach liegen. Unter dem Bild steht: «Mysteriöse Bomben in der Ukraine: Autos werden auf den Kopf gestellt - Gebäude und Fenster bleiben heil». Damit wird in Frage gestellt, ob hinter der Aufnahme eine Inszenierung steckt.
Bewertung
Anwohner aus Butscha berichten davon, dass russische Soldaten die Autos umwarfen, um dahinter ihre Ausrüstung zu verstecken. Es finden sich keine Medienberichte, in denen das Bild mit Bombenangriffen in Verbindung gebracht wird.
Fakten
Das Bild hat der Fotograf Rodrigo Abd am 4. April 2022 für die Nachrichtenagentur AP gemacht. Der Bildbeschreibung zufolge zeigt es einen ukrainischen Soldaten, der mit Kindern in der Kleinstadt Butscha an zerstörten Autos vorbeiläuft. Bomben werden nicht erwähnt. Ein Vergleich mit Aufnahmen von Google Maps bzw. Google Street View zeigt, dass das Bild wie von AP angegeben in Butscha aufgenommen worden ist.
Medien auf der ganzen Welt haben das Foto veröffentlicht. Aber anders als in dem Facebook-Bild nahegelegt wird, lassen sich bei einer Bilder-Rückwärtssuche keine Veröffentlichungen mit einem Bezug zu Bomben-Angriffen finden. Die «mysteriösen Bomben» werden nur in dem Sharepic erwähnt.
Nach Einschätzung von Michael Karl, Militärexperte und wissenschaftlicher Mitarbeiter am German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS), ist es theoretisch durchaus möglich, dass eine Bomben-Explosion die Autos umgeworfen hat. Die Druckwelle sei «irgendwann an einem Punkt, an dem sie nicht mehr zerstörerisch ist, aber durchaus noch Kraft genug hat, etwas umzuwerfen».
Es gibt allerdings keine Hinweise darauf, dass es in Butscha zu einem Bombenangriff gekommen ist. In einem Bericht von Human Rights Watch (HRW) aus Butscha werden nur Artillerieangriffe und Beschuss durch Panzer erwähnt. Stärkere Explosionen, etwa durch Bomben, erwähnen die Menschen nicht, mit denen HRW gesprochen hat.
Eine plausible Erklärung für das Foto lieferte ein Bewohner des gezeigten Straßenzuges den Faktencheckern der griechischen Seite Ellinikahoaxes. Der Mann berichtete demzufolge, dass russische Soldaten die Fahrzeuge umgeworfen hätten, um dahinter ihre Ausrüstung zu verstecken. Einige Details in den Fotos von einem Reuters-Artikel über gefundene Leichen stützen seine Aussage. Im ersten Bild der Fotostrecke sind gepanzerte Fahrzeuge zu sehen, mit denen es theoretisch möglich wäre, die viel leichteren PKW umzuwerfen.
Auf dem fünften Bild ist auch eines der Autos zu sehen, die später umgeworfen wurden - ein Mercedes-SUV. Da auf dem offenbar heimlich aufgenommenen Bild auch russische Soldaten zu sehen sind, muss es nach dem Beschuss und der Einnahme der Stadt aufgenommen worden sein.
Ellinikahoaxes veröffentlichte auch einen Chat, den der Mann am 20. März mit seiner Schwester geführt haben soll. Demnach schreibt er darin, dass die Russen den ganzen Tag damit beschäftigt gewesen seien, «eine Barriere zu errichten, um ihre Ausrüstung mit Personenkraftwagen zu verstecken». Das würde erklären, warum die Autos nur leichte Beschädigungen und weder Autos noch Gebäude Spuren von Explosionen aufweisen.
(Stand: 23.5.2020)
Links
Foto mit Quellenangabe bei AP (archiviert)
Google Maps-Aufnahme (archiviert)
Bilder-Rückwärtssuche mit Foto aus Butscha (archiviert)
Bericht von Human Rights Watch zu Vorgängen in Butscha (archiviert)
Recherche von Ellinikahoaxes zu dem Foto (archiviert)
Reuters-Bericht aus Butscha (archiviert, archiviertes Bild 1, archiviertes Bild 5)
Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-oesterreich@dpa.com