Keinerlei Hinweise auf vermeintliche Hitlergrüße bei ESC-Finale

18.5.2022, 10:34 (CEST)

Der Sieg der Ukraine beim diesjährigen Eurovision Song Contest (ESC) in der Nacht auf den 15. Mai beschäftigte viele User. In den Tagen danach behaupteten prorussische Blogger, dass während der Sendung mehrfach Hitlergrüße gezeigt worden seien, etwa von Oleh Psjuk, dem Rapper der ukrainischen Band Kalush Orchestra. Auch der polnischen ESC-Moderatorin Ida Nowakowska wird aufgrund einer Armgeste rechtsradikales Gedankengut unterstellt. Das geht etwa aus einem oft geteilten Online-Blog hervor (archiviert). Kurze Videosequenzen und Screenshots sollen das angeblich belegen.

Bewertung

Für den vermeintlichen Nazi-Gruß von Psjuk gegen Ende der Sendung gibt es keinerlei Hinweise. Der Sänger jubelte in Richtung Publikum, wie ein längeres Video zeigt. Die polnische Moderatorin formte ihre Finger zum Peace-Zeichen.

Fakten

Mit häufig völlig unbelegten Nazi-Vorwürfen versuchen Medien und Politik in Russland immer wieder, die Ukraine und den Westen insgesamt als Rechtsradikale und Nationalsozialisten zu brandmarken und so Moskaus Angriffskrieg auf das Nachbarland zu rechtfertigen. Aktuell dafür herhalten muss der Eurovision Song Contest.

In dem Blog-Artikel ist von mehreren Hitlergrüßen der Bandmitglieder die Rede. Aus angeblich als Beleg angeführtem Bild- und Videomaterial gehen die rechtsradikalen Armbewegungen aber nicht hervor.

Zum einen geht es um den Moment nach der Übergabe der Trophäe an Kalush Orchestra kurz vor Ende der ESC-Übertragung. Während die Band die Bühne verlässt, ist Rapper Oleh Psjuk mit ausgestrecktem rechten Arm und erkennbar gespreizter Hand zu sehen. Er winkt dem Publikum zu.

Kurze Clips davon werden mit dem Nazi-Vorwurf im Netz verbreitet - allerdings sind die Ausschnitte häufig manipuliert. Bei einem im Text verlinkten Twitter-Video, das mittlerweile entfernt wurde, setzt die Szene etwa erst so spät ein, dass Psjuks Hand nur von der Seite gezeigt wird. Weggeschnitten sind dabei die wenigen Sekunden zuvor, in denen die gespreizte Hand zu erkennen ist. Eben diesen Moment zeigt auch ein Twitter-Foto und reißt die Szene dadurch aus dem Kontext.

Ein weiteres Video zeigt die Szene nach ihrer Performance, als Psjuk besonders mit Blick auf die Verteidiger des Stahlwerks Asowstal in Mariupol fordert: «Helft bitte der Ukraine, Mariupol, helft Asowstal jetzt!» Mehrere Bandmitglieder strecken ihre Arme aus, allerdings zur Faust geballt oder dem Publikum zujubelnd. Das Twitter-Video ist vorzeitig abgeschnitten, wodurch das daraus kaum hervorgeht.

Auch die polnische ESC-Moderatorin Ida Nowakowska soll als sie die zwölf Punkte aus ihrem Land für «Stefania» verkündete, angeblich den Hitlergruß gezeigt haben, wie ein Twitter-Video zeigen soll. Doch in der kurzen Einstellung ist zu sehen, dass sie ihre Finger offenbar zum Peace-Zeichen formt. Danach wird die Hand nicht mehr von der Kamera erfasst.

(Stand: 18.5.2022)

Links

ESC-Finale:

- Kalush-Orchestra-Auftritt ab 1:07:35 Stunden

- Polnische Punktevergabe ab 3:14:06 Stunden

- Ergebnis und Siegerehrung ab 4:01:10 Stunden

- Standbild Ida Nowakowska

Tweet und Video mit Falschbehauptung über vermeintlichen Hitlergruß von polnischer Moderatorin (archiviert, Video archiviert)

Foto auf Twitter mit Falschbehauptung über vermeintlichen Hitlergruß (archiviert)

Twitter-Video mit Falschbehauptung über vermeintlichen Hitlergruß von ukrainischem Rapper (archiviert, Video archiviert)

Weiteres Foto auf Twitter mit Falschbehauptung über vermeintlichen Hitlergruß (archiviert)

Tweet mit Video mit Falschbehauptung über vermeintlichen Hitlergruß von Bandmitgliedern der Ukraine (archiviert, Video archiviert)

Blog-Artikel von «Report 24» (archiviert)

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