Das Rehkitz hat seine Mutter nicht verloren - sie ist auf Nahrungssuche

13.05.2022, 14:19 (CEST)

Tierbabys lösen in jedem Menschen Emotionen aus. Deshalb verbreiten sich Bilder von notleidenden Jungtieren in sozialen Medien rasant. Ein Posting auf Facebook beklagt die Situation eines Rehkitzes, das neben einer Reh-Attrappe zusammengekauert Schutz sucht. Das Tier hält die Attrappe demnach für seine Mutter. Im Posting wird überdies gemutmaßt, dass das Muttertier bereits tot sein könnte oder die beiden durch tragische Umstände voneinander getrennt wurden.

Bewertung

Das Rehkitz im Bild hat Schutz gesucht, während seine Mutter auf Nahrungssuche war. Kurze Zeit später waren die beiden wieder vereint. Das bestätigte der Urheber des Fotos, ein Jäger, im Begleittext zum Bild auf Facebook. Einige Wochen später informierte er aufgrund der großen Aufregung um das Foto erneut über den Verbleib des Jungtieres.

Fakten

Rehweibchen, sogenannte Ricken, bringen ihre Jungtiere üblicherweise im Mai oder Juni zur Welt. Das Foto wurde am 10. Juni 2019 auf Facebook geladen, das Jungtier war damals also wohl erst wenige Wochen alt.

Finden lässt sich das Posting über die Google Bildersuche. Eines der ersten Ergebnisse ist der Tweet einer Tierschützerin, unter dem sich als eine der vielen Antworten auch ein Verweis auf das Originalposting befindet.

Anders als bei vielen anderen Tierarten verlassen Muttertiere ihre Jungen rasch. Das dient dem Schutz vor Fressfeinden. Hat eine Ricke mehrere Kitze, legt sie diese sogar an unterschiedlichen Stellen ab. Junge Kitze sind noch geruchsarm und somit alleine sicherer vor Feinden als neben ihrer Mutter, die nur zum Säugen und zur Fellpflege zu ihren Jungen zurückkommt.

Wittert ein Kitz Gefahr, drückt es sich auf den Boden und erstarrt. Jäger sprechen hier vom Drückinstinkt. Nach der zweiten Lebenswoche setzt der Fluchtinstinkt ein – es ist also anzunehmen, dass das Tier zum Zeitpunkt der Aufnahme keine zwei Wochen alt war.

Die Website rehkitzhilfe.de schreibt dazu: «Haben Menschen ein Rehkitz gefunden sollte man nicht direkt annehmen das [Fehler im Original] dieses Rehkitz verwaist ist und keine Rehmutter mehr hat.» Der Urheber des Fotos interpretierte und reagierte also richtig. Der Aufschrei in sozialen Medien ist daher dem Unwissen über das Verhalten von Rehen geschuldet.

(Stand: 13.5.2022)

Links

Facebook-Posting (archiviert)

Original-Foto auf Facebook (archiviert)

Weiteres Posting des Jägers (archiviert)

Informationen zur Setzzeit (archiviert)

Ergebnis Google Bildersuche (archiviert)

Tweet der Tierschützerin (archiviert)

Antwort auf Tweet der Tierschützerin (archiviert)

Allgemeine Informationen zu Rehkitzen (archiviert)

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: factcheck-oesterreich@dpa.com