Biontech-Bericht bekräftigt Schutzwirkung von Corona-Impfstoff

11.05.2022, 15:25 (CEST)

Schon seit etwa eineinhalb Jahren werden in Österreich Impfstoffe gegen das Coronavirus angewendet, doch noch immer verbreiten sich falsche Informationen rund um deren Zulassung. Zuletzt machte etwa die Behauptung die Runde, dass selbst der Hersteller Biontech an der Wirksamkeit und Sicherheit seines Impfstoffs zweifle (archiviert). Gestützt wird die Behauptung auf eine «Mitteilung» des Unternehmens an die US-Börsenaufsicht (Securities and Exchange Commission/SEC). Zudem würden «bedrückend viele Verdachtsfälle von Impfkomplikationen und sogar Todesfällen gemeldet». Im November und Dezember 2021 habe es in Österreich «eine außergewöhnliche Zunahme von Todesfällen älterer Menschen» gegeben, heißt es weiter.

Bewertung

Biontech steht hinter seinem Corona-Impfstoff und ist von dessen Wirksamkeit überzeugt - das geht auch aus dem genannten Bericht hervor. Bei einem daraus zitierten Satz zur «Wirksamkeit oder Sicherheit» handelt es sich um einen von der Börsenaufsicht vorgeschriebenen Warnhinweis. Die Anzahl der gemeldeten Nebenwirkungen und Todesfällen in zeitlichem Zusammenhang zur Corona-Impfung sind nicht besorgniserregend. Auch im November und Dezember 2021 gab es in Österreich keine außergewöhnliche Zunahme von Todesfällen älterer Menschen.

Fakten

In dem BFK-Artikel wird auf einen am 30. März 2022 auf der Webseite von Biontech veröffentlichten Bericht an die US-Börsenaufsicht (Securities and Exchange Commission/SEC) verlinkt. Ein solcher Bericht muss jährlich von ausländischen Aktiengesellschaften in den USA vorgelegt werden.

Der mehrere hundert Seiten lange Bericht beginnt mit einem Warnhinweis (Cautionary Statements) hinsichtlich zukunftsgerichteter Aussagen (forward-looking statements) der Geschäftsführung. Diese Warnhinweise sind von der Börsenaufsicht detailliert vorgeschrieben, um mögliche Schadenersatzklagen von Investoren zu vermeiden.

Im Bericht von Biontech an die US-Börsenaufsicht führt diese Vorschrift dazu, dass die Schilderung von denkbaren Risiken für das Geschäftsergebnis einen erheblichen Teil des Textes einnimmt. So heißt es auf Seite 6: «We may not be able to demonstrate sufficient efficacy or safety of our COVID-19 vaccine and/or variant-specific formulations to obtain permanent regulatory approval in the United States, the United Kingdom, the European Union, or other countries where it has been authorized for emergency use or granted conditional marketing approval.»

Übersetzt heißt das «Wir sind möglicherweise nicht in der Lage, eine ausreichende Wirksamkeit oder Sicherheit unseres Covid-19-Impfstoffs und/oder von Varianten-spezifischen Rezepturen vorzulegen, um eine dauerhafte reguläre Zulassung in den USA, Großbritannien, der Europäischen Union oder anderen Ländern, wo sie eine Notfallzulassung oder bedingte Marktzulassung erhalten haben, zu erreichen».

Zu den Unwägbarkeiten, die in dem Papier aufgeführt werden, gehört auch die Konkurrenz anderer Impfstoffe und deren Effizienz, Kosten, Transport- und Lagermöglichkeiten, Sicherheit, Nebenwirkungen und Dauerhaftigkeit der Immunantwort. Die Absicht der Warnhinweise bei in die Zukunft gerichteten Aussagen ist daher eine juristische: Nämlich möglichst alle nur denkbaren Risiken für die geschäftliche Entwicklung darzustellen und festzuhalten, damit Investoren über sämtliche mögliche Risiken informiert sind.

An anderer Stelle verweist das Unternehmen (beispielsweise auf Seite 91) jedoch auf das «hohe Schutzniveau» der Impfung sowohl gegen die ursprünglichen Varianten als auch gegen die Omikron-Variante: «BNT162b2 offers a high level of protection against variants of concern, including Alpha, Beta, and Delta. Recent laboratory studies demonstrated that three doses of BNT162b2 neutralize the SARS-CoV-2 Omicron variant.»

Der Impfstoff von Biontech/Pfizer erhielt am 21. Dezember 2020 die bedingte Marktzulassung, lässt sich auf der Webseite der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) nachlesen. Diese ist für ein Jahr gültig und kann dann jährlich erneuert werden. Das ist am 3. November 2021 passiert. Die bedingte Marktzulassung kann in eine normale Zulassung umgewandelt werden, wenn der Hersteller die vorgeschriebenen Verpflichtungen erfüllt.

Das bedeutet aber nicht wie fälschlicherweise behauptet, dass eine «vollwertige Zulassung» aufgrund fehlender Studien nicht erteilt wurde oder dass «ausnahmsweise ein Aufschub bis Ende dieses Jahres eingeräumt wurde». Die bedingte Marktzulassung ist dadurch möglich, dass Daten fortlaufend überprüft werden, so die EU-Kommission, die die Zulassung der Impfstoffe nach einer positiven Empfehlung der EMA genehmigt.

Es werden also Daten bewertet, sobald sie verfügbar sind und nicht erst, wenn alle Untersuchungen abgeschlossen sind. Impfstoffentwickler können zusätzliche Daten auch noch nach der Zulassung vorlegen, was im Fall von Biontech/Pfizer der Fall ist. Bestimmte Studien laufen über mehrere Jahre, steht etwa auf der EMA-Webseite. Die «normalen Beurteilungszeiten» sind bei der bedingten Zulassung also erheblich verkürzt, die «Grundsätze von Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit» blieben aber gewahrt, betont die EU-Kommission.

In Österreich sammelt das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) alle Meldungen von vermuteten Nebenwirkungen nach Corona-Impfungen. Der Großteil dieser Meldungen betreffe «zu erwartende Impfreaktionen wie sie in den klinischen Studien der Zulassungsverfahren der Impfstoffe beschrieben wurden», steht etwa im aktuellen Bericht. Bei zwei Todesfällen wird derzeit ein Zusammenhang mit der Impfung gesehen. Die Untersuchungen zu anderen Todesfällen, die in zeitlicher Nähe zu einer Impfung gemeldet wurden, laufen aber weiter.

Auch im aktuellen «Safety Update» der EMA zu den Corona-Impfstoffen steht, dass der Nutzen aller in der EU zugelassen Impfstoffe die Risiken von Nebenwirkungen überwiegen würde.

Im November und Dezember 2021 gab es in Österreich keine überdurchschnittliche Zunahme von Todesfällen älterer Menschen. Das zeigt ein Blick in die Tabelle der Gestorbenen in Österreich der Statistik Austria. Nicht nur in der Gruppe der über 65-Jährigen starben in den Kalenderwochen 44 bis 48 (1.11.-5.12.) und 49 bis 1 (6.12. – 9.1.) mehr Menschen als in den Kalenderwochen 39 bis 43 (27.9.-31.10.) - im November und Dezember 2021 stieg die Zahl der Todesfälle insgesamt.

Der Zuwachs der Sterbefälle in der Gruppe der über 65-Jährigen verhält sich ähnlich dem Zuwachs der Sterbefälle allgemein. Auch in den Presseaussendungen (hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier) der Statistik Austria von November und Dezember 2021 ist von einer erhöhten Zahl der Sterbefälle die Rede. Ab Kalenderwoche 49 sank die Zahl wieder.

Von 22. November bis 12. Dezember 2021 fand zudem aufgrund hoher Covid-19-Zahlen der vierte generelle Lockdown in Österreich statt. Seit Mitte Oktober stieg die Anzahl der Todesfälle, teilte die Statistik Austria am 18. November mit, wie die APA berichtete. Allein in der ersten Novemberwoche sind demnach 1 903 Menschen gestorben - um ein Viertel mehr als im Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019. «Derzeit erinnert der Verlauf der Corona-Pandemie stark an die Entwicklung vor einem Jahr», so Statistik Austria-Generaldirektor Tobias Thomas damals.

(Stand: 11.5.2022)

Links

Biontech-Bericht an US-Börsenaufsicht (archiviert)

US-Börsenaufsicht zu zukunftsorientierten Angaben (archiviert)

US-Handelsgesetz (archiviert)

Webseite Accountingtools über zukunftsorientierte Angaben (archiviert)

EMA über Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer (archiviert)

EMA über bedingte Marktzulassung (archiviert)

EU-Kommission über bedingte Marktzulassung (archiviert)

Aktueller BASG-Bericht (PDF) (archiviert)

EMA-Safety Update zu Corona-Impfstoffen in EU (archiviert)

Gestorbene in Österreich von Statistik Austria (PDF) (archiviert)

Presseaussendung Statistik Austria Kalenderwoche 44 (archiviert)

Presseaussendung Statistik Austria Kalenderwoche 45 (archiviert)

Presseaussendung Statistik Austria Kalenderwoche 46 (archiviert)

Presseaussendung Statistik Austria Kalenderwoche 47 (archiviert)

Presseaussendung Statistik Austria Kalenderwoche 48 (archiviert)

Presseaussendung Statistik Austria Kalenderwoche 49 (archiviert)

Presseaussendung Statistik Austria Kalenderwoche 50 (archiviert)

Presseaussendung Statistik Austria Kalenderwoche 51 und 1 (archiviert)

APA-Artikel über Lockdown (archiviert)

APA-Artikel über Sterblichkeit (archiviert)

Artikel mit Falschbehauptung (archiviert)

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