USA erhöhten ihre Erdöl-Importe aus Russland nur im Wochenvergleich

11.04.2022, 16:45 (CEST)

Viele Staaten haben auf den russischen Einmarsch in der Ukraine mit Sanktionen gegen Russland reagiert. Nutzer und Nutzerinnen sozialer Netzwerke behaupten nun, dass die USA von anderen Staaten härtere zwar Sanktionen gegen Russland fordern, selbst aber den Import von russischem Öl wieder aufgenommen haben. Auf Facebook ist ein vielfach geteiltes Posting zu finden, in dem behauptet wird, die USA würden ihre Ölimporte aus Russland um 43 Prozent erhöhen.

Bewertung

Die Behauptung beruht auf tatsächlichen Zahlen, ist aber völlig aus dem Kontext gerissen. Die 43 Prozent ergeben sich aus einem wöchentlichen Vergleich. Zwischen 18. März und 25. März stieg die Erdölabnahmemenge der USA aus Russland tatsächlich um 43 Prozent. Allerdings unterliegen die US-Erdölimporte – nicht nur aus Russland – starken Schwankungen. Zudem sind die USA noch bis 22. April berechtigt, Altverträge zum Erdölimport aus Russland einzuhalten. Erst danach gilt der generelle Importstopp.

Fakten

Das Posting ohne jegliche Quellenangaben bezieht sich mutmaßlich auf ein Interview der russischen Tageszeitung «Komsomolskaja Prawda» mit Michail Popow, stellvertretender Sekretär des russischen Sicherheitsrates. Dieser erklärte in dem am 3. April veröffentlichten Interview, dass die USA nicht nur weiter Erdöl aus Russland beziehen, sondern ihre Bezüge «in der vergangenen Woche um 43 Prozent auf 100.000 Barrel pro Tag erhöht» hätten.

Zahlreiche kremltreue Medien, aber auch internationale Blätter wie die englischsprachige chinesische «Global Times» übernahmen die Aussage. Die «Global Times» steht dem Parteiorgan der Kommunistischen Partei Chinas nahe, weshalb sie von vielen westlichen Medien als Propagandainstrument eingestuft wird.

Tatsache ist, dass US-Präsident Joe Biden in einer vielbeachteten Rede am 8. März 2022 einen sofortigen Importstopp von russischem Öl in die USA verhängt hatte. Damals informierte ein ranghoher US-Regierungsvertreter zudem, für schon unterzeichnete Lieferverträge gelte eine Abwicklungsperiode von 45 Tagen – diese Übergangsfrist endet am 22. April 2022.

Generell importieren die USA wenig Öl aus Russland: Die gesamten Russische Öl-Importe (inklusive Benzin, Heizöl und nicht raffinierte Öle) betrugen im Jahr 2021 nur 8 Prozent der gesamten Importmenge, der Anteil von Rohöl fiel mit 3 Prozent noch geringer aus.

Tatsächlich sind auch Schwankungen bei der Abnahmemenge nichts ungewöhnliches, das zeigt die monatliche Auflistung aller US-Erdölimporte aus Russland seit 1995. Eine Auflistung aller US-Ölimporte und Exporte weltweit im vergangenen halben Jahr (Daten von August 2021 bis Jänner 2022) zeigt ebenfalls, dass diese ständigen Schwankungen unterliegen.

Dass die Erdölabnahmemenge innerhalb einer Woche von 70.000 Barrel auf 100.000 Barrel pro Tag stieg, ist zwar eine willkommener Anlass für russische Propaganda, allerdings auch vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen. Denn in der Woche darauf bezogen die USA eine Menge an Erdöl aus Russland, die in Tausend-Barrel-Schritten nicht mehr messbar war – die US-Importe aus Russland fielen also um 100 Prozent. Auch das ist einer genauen wöchentlichen Auflistung zufolge nicht ungewöhnlich.

(Stand: 11.4.2022)

Links

Facebook-Post (archiviert)

Interview Michail Popow (archiviert)

Artikel Global Times (archiviert)

Artikel SZ mit Einschätzung zu Global Times (archiviert)

Pressemitteilung Weißes Haus (archiviert)

Transkript Pressekonferenz Weißes Haus (archiviert)

US-Erdölimportstatistik 2021 (archiviert)

Details zu Importen aus Russland (archiviert)

„Ewige Tabelle“ zu Ölimporten aus Russland (archiviert)

US-Ölimporte aus aller Welt 08/2021-01/2022 (archiviert)

EIA Import-Übersicht (archiviert)

US-Ölimporte aus den Top 10 Lieferländern im Wochenvergleich (Excel-Datei) (archiviert)

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