Resolutionen des Europarats nicht rechtsverbindlich
25.11.2021, 12:23 (CET)
Vergangene Woche wurde in Österreich eine Corona-Impfpflicht angekündigt. Das rief viele Kritiker auf den Plan. Teilweise wurden in dem Kontext aber auch falsche Informationen verbreitet. In Sozialen Medien wie Facebook (archiviert) kursierte etwa sehr häufig die Behauptung, dass der Europarat in seiner Resolution 2361/2021 beschlossen habe, dass «niemand gegen seinen Willen unter Druck» geimpft werden dürfe. An anderer Stelle heißt es, der «Europäische Gerichtshof» habe endgültig über das Verbot von «Zwangsimpfungen» entschieden. Diese seien «standardmäßig illegal». Die Mitgliedsstaaten müssten die «Standards» und «Verpflichtungen» anwenden. Ein Handeln gegen die Resolution sei «ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit».
BEWERTUNG
Es handelt sich um Falschbehauptungen. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat in der Resolution 2361/2021 von 27. Jänner 2021 empfohlen, dass alle Bürger informiert sind, dass die Corona-Impfung nicht verpflichtend ist. Resolutionen der Parlamentarischen Versammlung sind für die Mitgliedsstaaten aber nicht rechtsverbindlich, weshalb beispielsweise Österreich unabhängig davon eine Corona-Impfpflicht beschließen kann.
FAKTEN
Dieselben Behauptungen in ähnlichem Wortlaut kursierten bereits vor ein paar Monaten in Sozialen Medien. Die Beiträge bezogen sich genauso auf die Resolution 2361/2021.
Zunächst ist der Europarat vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu unterscheiden. Der EGMR ist eine von mehreren Einrichtungen des Europarats. Der EGMR (hier, hier) urteilt über Beschwerden von Personen und Staaten, die sich auf «Verletzungen der in der Europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten Rechte beziehen». Die von ihm gefällten Urteile sind für die betroffenen Staaten bindend. Am 27. Jänner 2021 traf der EGMR keine Urteile oder Entscheidungen.
Der Europarat hat u.a. zum Ziel, Menschenrechte zu fördern und zu schützen. Neben dem EGMR ist die Parlamentarische Versammlung eine weitere Einrichtung des Europarats. Diese hat die Resolution 2361/2021 verfasst. Solche Resolutionen sind als Empfehlung an die Mitgliedsstaaten zu sehen. Sie sind nicht rechtsverbindlich, wie eine Kurzinformation des Deutschen Bundestags und der Europarat selber auf seiner Webseite informiert.
«Empfehlungen enthalten an das Ministerkomitee gerichtete Vorschläge, deren Umsetzung in den Zuständigkeitsbereich der Regierungen fällt», heißt es auch in einer Publikationsreihe über die Normsetzung des Europarats. Politischen Einfluss kann eine Resolution demnach aber schon haben.
Die Resolution von 27. Jänner 2021 behandelt ethische und praktische Erwägungen in Bezug auf die Covid-19-Impfung. Es geht etwa um Verteilungsfragen oder Fairness bei der Priorisierung. Unter Punkt 7.3. heißt es, dass sichergestellt sein müsse, dass alle Bürger darüber informiert sind, dass die Impfung nicht verpflichtend ist und dass niemand unter Druck gesetzt wird, sich impfen zu lassen, wenn er oder sie dies nicht möchte. Zudem solle niemand diskriminiert werden, weil er oder sie nicht geimpft werden wolle.
Auch die spätere Resolution 2383 (2021) vom 22. Juni 2021 verweist auf die Resolution 2361, betont aber auch, dass es eine Balance geben müsse zwischen den Interessen der Gesellschaft und den Rechten und der Freiheit des Einzelnen. Liege ein signifikant geringeres Übertragungsrisiko von SARS-CoV-2 bei Personen vor (Anm. beispielsweise durch eine Impfung), könnte das bedeuten, dass Einschränkungen der Rechte und Freiheiten dieser Personen nicht mehr gerechtfertigt seien - unabhängig von der Situation anderer.
Mitgliedsstaaten können unabhängig von diesen Resolutionen eine Impfpflicht beschließen. Österreich kündigte diese für Februar 2022 bereits an. Details sind noch wenige bekannt, auch das notwendige Gesetz muss noch ausgearbeitet werden. Ersten Informationen zufolge kann aber von einem «Impfzwang» oder «Zwangsimpfungen» - wie es im Posting heißt - keine Rede sein. Es sind Geldstrafen nach dem Verwaltungsrecht geplant. Experten (hier, hier, hier) orten in Bezug auf die Impfpflicht keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Michael Lysander Fremuth, Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Grund- und Menschenrechte, sagte zudem der APA, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine allgemeine Impfpflicht bereits 2012 grundsätzlich bejaht und im vergangenen April bestätigt habe. Auch Fremuth sagte, dass physischer Zwang in Österreich politisch nicht zu erwarten sei.
(Stand 24.11.2021)
Links
Resolution 2361/2021 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (27.1.2021) (archiviert)
Unterscheidung zwischen Europarat und Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte usw. (archiviert)
Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten über Europarat (archiviert)
Europarat über den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (archiviert)
Außenministerium über den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (archiviert)
Kurzinformation des Deutschen Bundestags über Rechtscharakter von Resolutionen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (archiviert)
Europarat über Parlamentarische Versammlung (archiviert)
Publikationsreihe über die Normsetzung des Europarats (archiviert)
Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR): (archiviert)
Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR)(archiviert 25.5.2021)
Faktencheck von «correctiv» (archiviert)
Resolution 2383 (2021) der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (archiviert)
APA-Artikel über Gesetzesentwurf der Corona-Impfpflicht (archiviert)
APA-Artikel über erste Details zur Corona-Impfpflicht (archiviert)
Artikel von «Der Standard» über Impfpflicht und Zwang (archiviert)
APA-Artikel zu Jurist über Impfpflicht (archiviert)
APA-Artikel über Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zu Impfpflicht (archiviert) ORF-Artikel über Experten zu Impfpflicht (archiviert)
Bestätigung der allgemeinen Impfpflicht vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) (archiviert) (Download)
Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-oesterreich@dpa.com