Die Angaben sind verkürzt - Zusammenhänge wurden konstruiert

28.10.2021, 10:32 (CEST), letztes Update: 13.01.2022, 17:42 (CET)

Impfgegner konstruieren regelmäßig Zusammenhänge, um ihre Narrative zu unterfüttern. In diesem Fall sollen ehemalige Beauftragte der amerikanischen Arzneimittelbehörde (FDA) nun beruflich mit Pharmakonzernen zu tun haben, so ein Facebook-Posting (hier archiviert). Außerdem sei der Geschäftsführer (CEO) von Reuters gleichzeitig Verwaltungsratsmitglied bei einem Pharmaunternehmen. Und: Der US-Immunologe Anthony Fauci finanziere angeblich «Biowaffenforschung».

Bewertung

Die Angaben sind ungenau und verkürzt, Zusammenhänge wurden konstruiert. Wechsel zwischen der staatlichen Arzneimittelbehörde FDA und der Privatwirtschaft sind nicht ungewöhnlich; bestimmte Vorgaben regulieren sie. Der Vorsitzende der Thomson Reuters Foundation hat keine redaktionelle Verantwortung bei der Nachrichtenagentur inne. Es gibt keine Hinweise darauf, dass der Direktor des National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID), Anthony Fauci, Biowaffenforschung von Coronaviren finanziert habe.

Fakten

Scott Gottlieb war von Mai 2017 bis April 2019 Beauftragter der amerikanischen Arzneimittelbehörde (FDA), Stephen Hahn von Dezember 2019 bis Jänner 2021. Der FDA-Beauftragte überwacht alle Aufgaben der Agentur im Auftrag des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums.

Das Tätigkeitsfeld der FDA ist sehr breit. Sie reguliert unter anderem die Bereiche Lebensmittel, Arzneimittel, medizinische, elektronische, kosmetische und tierärztliche Produkte sowie Tabakwaren. Es ist also bereits verkürzt zu sagen, der FDA-Beauftragte sei für die Regulierung von Pfizer oder Moderna zuständig.

Dem US-amerikanischen Think Tank Council on Foreign Relations (CFR) zufolge verfügt die FDA über mehrere hundert Außenbüros und einige Laboratorien in allen US-Staaten, etwa das Center for Biologics Evaluation and Research, das Center for Tobacco Products und das Office of Women's Health.

Scott Gottlieb ist ein Vorstandsmitglied von Pfizer. Stephen Hahn ist Chief Medical Officer der Risikokapitalgesellschaft Flagship Pioneering, welche laut der Washington Post Moderna vor mehr als einem Jahrzehnt lanciert hat.

Jobwechsel von einer US-Bundesbehörde zu einem privatwirtschaftlichen Unternehmen sind regelmäßig Gegenstand von Kritik. Es gibt allerdings Gesetze und Auflagen, die solche Wechsel regulieren sollen. Das 18 U.S.C. § 207 des Bundesrechts soll etwa ehemalige Staatsbedienstete daran hindern, möglicherweise erlangten Einfluss oder Informationen unfair einzusetzen.

Auch in Bezug auf Hahn kommen solche ethischen Regularien laut der Washington Post zum Einsatz. Er dürfe zum Beispiel nach dem Wechsel ein Jahr nicht mit der FDA über Themen kommunizieren, für die er bei seinem neuen Arbeitgeber zuständig sei. Mit Bereichen, in die Hahn bei der FDA persönlich involviert war, dürfe er ein Leben lang nichts mehr zu tun haben. Um diese beiden Auflagen geht es unter anderem auch in einem Schreiben des United States Office of Government Ethics. Hahn dürfe seinem neuen Arbeitgeber Flagship auch keine «behind-the-scenes»-Hilfe wie Ratschläge oder Dokumente anbieten.

James («Jim») C. Smith ist nicht Geschäftsführer (CEO) von Reuters, sondern Vorsitzender der Thomson Reuters Foundation, einer Stiftung von Thomson Reuters. CEO und Präsident von Thomson Reuters ist Steve Hasker (hier, hier). David Thomson ist der Vorsitzende von Thomson Reuters.

Smith hat also auf redaktionelle Inhalte wie etwa die Berichterstattung über Covid-19-Impfstoffe keinen Einfluss. Er ist Mitglied im «Board of Directors» bei Pfizer. Zu Smiths beruflichen Positionen gibt es schon einen dpa-Faktencheck.

Anthony Fauci ist seit 1984 Direktor des amerikanischen National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID), das zu den National Institutes of Health (NIH) gehört. Zuletzt wurde ihm vorgeworfen, dass die NIH «Gain-of-function-Forschung» bei Coronaviren im chinesischen Wuhan finanziert habe. Bei «Gain-of-function-Forschung» wird in die Funktionen von Organismen eingegriffen, um etwa Viren ansteckender zu machen. Fauci hat allerdings mehrmals (hier, hier, hier) dementiert, dass die NIH eine solche Forschung in Wuhan finanziert oder unterstützt habe. Es gibt zudem keine Hinweise darauf, dass mit dieser Art der Forschung Biowaffen hergestellt werden sollen.

(Stand: 28.10.2021)

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Berichtigung

Im zehnten Absatz wurde der Satz «Er ist tatsächlich bei Pfizer Vorstandsmitglied» durch den Satz «Er ist Mitglied im "Board of Directors" bei Pfizer» ersetzt.

Links

Scott Gottlieb bei FDA (archiviert)

Stephen Hahn bei FDA (archiviert)

Über die FDA (archiviert)

Tätigkeitsbereiche der FDA (archiviert)

Council on Foreign Relations (CFR) über FDA (archiviert)

Scott Gottlieb bei Pfizer (archiviert)

Stephen Hahn bei Flagship Pioneering (archiviert)

Washington Post-Artikel über Hahn (archiviert)

Flagship Pioneering über Hahn-Einstieg (archiviert)

18 U.S.C. § 207 (archiviert)

Schreiben des United States Office of Government Ethics (archiviert)

Thomson Reuters Foundation (archiviert)

Bloomberg über Smith (archiviert)

Steve Hasker bei Thomson Reuters (archiviert)

Steve Hasker bei Thomson Reuters (archiviert)

David Thomson bei Thomson Reuters (archiviert)

Smith bei Pfizer (archiviert)

dpa-Faktencheck zu Smith

Anthony Fauci bei NIAID (archiviert)

Senatsanhörung mit u.a. Fauci (archiviert)

Senatsanhörung mit u.a. Fauci

Abc-Interview mit Fauci (archiviert)

Weltgesundheitsorganisation (WHO) über Biowaffen (archiviert)

BBC-Artikel (archiviert)

Facebook-Posting (archiviert)

Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-oesterreich@dpa.com