Aussage von Virologe Drosten aus dem Kontext gerissen – Corona-Impfung wirkt vor schweren Verläufen

16.09.2021, 15:02 (CEST)

Aussagen des deutschen Virologen Christian Drosten wurden bereits in der Vergangenheit öfters missverstanden oder falsch wiedergegeben. Aktuell wird etwa in Facebook-Postings (hier archiviert) ein Screenshot geteilt, demzufolge Drosten Geimpften die Corona-Infektion empfehle. Ein User schreibt dazu: «Mit anderen Worten, die impfung bringt nix» (Fehler im Original). Zudem wird behauptet, dass eine Genesung von Covid-19 nicht als «Infektionsschutz» zähle.

Bewertung

Die Aussage von Christian Drosten wurde missverstanden und aus dem Kontext gerissen. Sie bedeutet nicht, dass Impfungen wenig bringen. Drosten empfiehlt nach eigenen Angaben keine Infektion und wünscht sich auch keine - rechnet aber damit, dass sie passiert. Er sagt das in einem Gespräch über den Zeitpunkt, wenn das Coronavirus endemisch ist - also dank großer Immunität in der Gesellschaft kaum noch jemandem schaden kann. Aktuelle Zahlen zeigen, dass die Impfung wirkt. Mit einem Genesungszertifikat ist man für sechs Monate von der Testpflicht befreit.

Fakten

Der Screenshot, der sich auf Facebook verbreitet, stammt von der Zeitung «Heute». Dort ist der Text mit der Überschrift «Star-Virologe Drosten empfiehlt Geimpften Corona-Infektion» erschienen. Im Artikel selbst wird klarer, was genau Drosten mit seinen Ausführungen zur Impfung und Infektion gemeint hat, die er ursprünglich im NDR-Podcast «Coronavirus-Update» machte. Auf Twitter nahm der Virologe zudem Stellung zur falschen Interpretation: «Lese heute ja verrückte Dinge über mich. Selbstverständlich will ich mich nicht selbst infizieren!», schrieb er dort.

Im NDR-Podcast sprach Drosten über den Zeitpunkt, wenn SARS-CoV-2 in Deutschland endemisch wird. Das beschreibt die Situation, wenn sich das Coronavirus weiter schleichend verbreitet, aber den allermeisten Infizierten nichts mehr ausmacht - es also nur sehr wenige schwere Verläufe oder Todesfälle gibt. «Wir wollen, dass das zu einer Erkältung wird», sagt Drosten als Vergleich.

Mit diesem anzustrebenden Zustand hängt auch das missverstandene Zitat zusammen. «Und wann dieser Zeitpunkt ist, das liegt an uns. Und das liegt an der Impfquote», sagt Drosten. Hier macht er also klar, dass nur ein ausreichend verbreiteter Immunschutz durch die Impfung in der Gesellschaft erreichen kann, dass Ansteckungen trotz Impfung so gut wie nicht mehr gefährlich sind. Dass Geimpfte deutlich besser vor schweren Corona-Verläufen geschützt sind als Ungeimpfte ist immer wieder auch Gegenstand von dpa-Faktenchecks.

Der Impfschutz lässt aber nach einer Zeit nach. Permanente Auffrisch-Impfungen könnten aus Drostens Sicht außerdem nicht das Ziel sein. Daher erwartet er, dass Geimpfte zusätzliche Immunität dadurch erhalten, dass sie immer wieder mit dem Virus in Kontakt kommen: «Mein Ziel als Virologe Drosten, wie ich jetzt gerne immun werden will, ist: Ich will eine Impfimmunität haben und darauf aufsattelnd will ich dann aber durchaus irgendwann meine erste allgemeine Infektion und die zweite und die dritte haben. Damit habe ich mich schon lange abgefunden», sagt Drosten.

Dass dies jedoch nicht als Empfehlung zu verstehen ist, sondern als zu erwartende Tatsache, wird aus einem weiteren Zitat deutlich: «Das kann ich als relativ gesunder Erwachsener so für mich verantworten. Es gibt andere Bevölkerungsgruppen, die können das natürlich nicht. Aber ich kann das für mich selbst, für meine eigene Gesundheit auch nur verantworten, weil ich jetzt zweifach geimpft bin. Und ich muss zugeben, ich wäre gerne auch noch ein drittes Mal geimpft.»

Aktuelle Zahlen belegen, dass die Corona-Impfung in Österreich wirkt. In einem Bericht der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) heißt es etwa, dass mittlerweile eindeutig gezeigt werden konnte, dass die Corona-Impfung eine hohe Schutzwirkung habe: Von 175 815 symptomatischen Corona-Fällen in Österreich seit Anfang Februar 2021 bei Personen über 12 Jahren seien 8 845 vollständig geimpft gewesen. Das entspricht knapp fünf Prozent. Nur 0,12 Prozent oder 215 Geimpfte mussten wegen Corona ins Krankenhaus.

Die Impfeffektivität liegt demnach bei den über 18-Jährigen bei rund 89 Prozent. Das bedeutet, dass das Risiko für eine symptomatische Corona-Infektion bei den vollständig Geimpften im Vergleich zu den nicht vollständig Geimpften bzw. Ungeimpften um 89 Prozent reduziert war.

Wie u.a. auf der Webseite des Gesundheitsministeriums nachlesbar ist, gilt ein Genesungszertifikat sechs Monate lang. Damit ist man für Gastronomie, Hotellerie, Kultur usw. eintrittsberechtigt und muss keine Corona-Tests machen. Prinzipiell lässt die Schutzwirkung bei Genesenen aber ab einem gewissen Punkt nach, weswegen für sie eine Impfung empfohlen wird. Das lässt sich u.a. in den Anwendungsempfehlungen des Nationalen Impfgremiums nachlesen.

Links


Artikel auf heute.at (archiviert)

Tweet von Christian Drosten zum Missverständnis (archiviert)

NDR-Podcast «Coronavirus-Update» mit Aussagen von Christian Drosten (archiviert)

dpa-Faktencheck zu ähnlichem Thema

Aktueller AGES-Bericht zu Impfdurchbrüchen in Österreich (archiviert)  

Anwendungsempfehlung des Nationalen Impfgremiums (archiviert) (Download)

Gesundheitsministerium über Genesene (archiviert)

Facebook-Posting (archiviert)

Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-oesterreich@dpa.com