Beide Werte zur Effektivität stimmen und sagen etwas Unterschiedliches aus

23.09.2021, 15:24 (CEST)

Covid-Impfstoffe weisen laut Studien eine hohe Effektivität von teilweise über 90 Prozent auf. Ein virales Video stellt nun jedoch genau die Berechnung dieses Wertes infrage. «Wie schafft man es aus 0,8 Prozent 95 Prozent zu machen?» wird darin gefragt, denn auf die ganze Anzahl von Studienteilnehmern bezogen handele es sich nur um einen kleinen Prozentsatz. In dem auf Facebook geteilten Video (hier archiviert) lautet die Schlussfolgerung: «Wenn 125 geimpft werden, dann hab ich den ersten erwischt, den ich mit der Impfung schütze. Und die 124 haben erstmal nur die Nebenwirkungen und sonst gar nichts».

Bewertung

Beide Werte zur Effektivität sind korrekt, sagen jedoch etwas ganz anderes aus. Studien belegen, dass Impfungen wirksam sind.

Fakten

Die unterschiedlichen Werte für die Effektivität erhalten vor allem seit einer Publikation bei «The Lancet» große Aufmerksamkeit in Sozialen Medien. Dabei handelt es sich jedoch um keine neuen wissenschaftliche Erkenntnisse hinsichtlich der Wirksamkeitsangaben der Impfstoffe, sondern um einen ausdrücklich als «Kommentar» gekennzeichneten Meinungsbeitrag.

In der Studie zum Impfstoff von Biontech handelte es sich um insgesamt knapp 22 000 Menschen. Darunter hatten sich 8 Geimpfte und 162 Menschen aus der Kontrollgruppe, die nur ein Placebo erhalten haben, infiziert. Um die Effizienz eines Medikaments zu beziffern, werden daraus zwei verschiedene Werte berechnet.

Bei der Relativen Risikoreduktion (RRR) entsteht der Wert der Wirksamkeit durch einen Vergleich der Fälle in einer geimpften Gruppe gegenüber der Placebo-Gruppe. Eine Wirksamkeit von 95 Prozent beim Impfstoff von Biontech/Pfizer bedeutet daher, dass 95 Prozent der Fälle vermieden werden.

Bei der Absoluten Risikoreduktion (ARR) werden hingegen die Fälle in Relation zur Anzahl der Teilnehmer gesetzt. Die Prozentpunkte geben folglich an, um wieviel das Risiko in Bezug auf alle Untersuchten geringer wird.

ARR-Werte sind üblicherweise sehr gering, die RRR-Werte jedoch recht hoch. Im Marketing wird daher meist mit den RRR-Werten gearbeitet, da diese eindrucksvoller klingen. Dies wurde vom «Deutsche Ärzteblatt» bereits 2005 bedauert. Auch im «Lancet-Artikels» wird kritisiert, dass Impfstoffhersteller öffentlich bisher stets mit den relativen Werten operieren.

Die kleinen ARR-Werte sprechen jedoch nicht gegen die Effektivität, wie auch ein Autor des «Lancet»-Artikels bestätigte. Er bedauert es, dass der Kommentar falsch verstanden wird. Man sage darin nicht, dass Impfungen nicht wirken.

Wie stark die beiden Werte voneinander divergieren können, zeigt folgendes Rechenbeispiel: Wenn sich in einer Gruppe von 100 ungeimpften Personen zwei Personen infizieren, dann sind das zwei Prozent. In einer genau so großen Gruppe Geimpfter infiziert sich eine Person, also ein Prozent. Der ARR-Wert beträgt also ein Prozent (zwei Prozent minus ein Prozent), während der RRR-Wert 50 Prozent beträgt. Beide Werte sind korrekt, sofern klargemacht wird, worum es geht.

Kritisiert wird häufig, dass genau diese Verdeutlichung fehlt. Detailliertere Erläuterungen und Formelsammlungen finden sich in einem Artikel der US-Biostatistikerin Mary L. McHugh.

Sicherheit und Wirksamkeit der Impfstoffe sind schon öfters überprüft worden.

(Stand: 23.9.2021)

Links

Beitrag auf Facebook (archiviert, Video archiviert)

Kommentar in Lancet (archiviert)

Ärzteblatt zu Statistik (archiviert)

Kommentar in Medicina (archiviert)

Erläuterung Risikokalkulation (archiviert)

Studie zu Impfstoff (archiviert)

US-amerikanischer Faktencheck (archiviert)

Weiterer US-Faktencheck (archiviert)

dpa-Faktencheck zur Wirksamkeit

Weiterer dpa-Faktencheck

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