Wenn alle geimpft sind, erkranken nur noch Geimpfte

Seit einigen Wochen kursieren Zahlen zu Hospitalisierungen in Israel im Netz. Demnach liegt der Anteil der Geimpften mit schweren Verläufen unter allen Hospitalisierungen bei etwa 62 Prozent. Darüber hab auch das ZDF berichtet, heißt es. Diese Zahlen werden meistens ohne Kontext geteilt, oftmals findet sich in Facebook-Postings (hier archiviert) allerdings auch der Kommentar «Es wird eng für das Impfnarrativ...».

Bewertung

Die Effektivität von Impfungen ist belegt - sie können aber keinen hundertprozentigen Schutz bieten. Daher führt eine steigende Impfrate zwangsläufig zu mehr schweren Erkrankungen bei Geimpften. Denn wären alle Menschen geimpft, gäbe es natürlich auch nur noch geimpfte Kranke.

Fakten

Die Zahlen stammen vom offiziellen Info-Dashboard der israelischen Regierung. Mit August wurde dieses um weitere Detailinformationen ergänzt wie etwa dem Impfstatus der Menschen, die aufgrund schwerer Krankheitsverläufe ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten.

Seitdem wird die Zahl von rund 60 Prozent Geimpften unter hospitalisierten Personen häufig aufgegriffen. Viele Beiträge in Sozialen Medien beziehen sich dabei auch auf einen ZDF-Beitrag, der darüber berichtete.

Da Impfungen keine hundertprozentige Schutzwirkung bieten, können auch Geimpfte schwer erkranken. Im Juli wurde eine Studie aus Israel veröffentlicht, die zu dem Ergebnis kam, dass der Großteil der trotz einer Vollimmunisierung hospitalisierten Personen Vorerkrankungen hatte. Die Anzahl der Vorerkrankungen sei dabei im Vergleich zu nicht geimpften Hospitalisierten größer gewesen.

Laut den aktuellen Daten gab es unter den registrierten schweren Erkrankungen am 26. August weniger Geimpfte (320 vollständig Immunisierte und 15 Teilgeimpfte) als Ungeimpfte. Mit 362 Ungeimpften sind die beiden Anteile allerdings fast ausgeglichen.

Es gibt mehrere Gründe, warum der Anteil der geimpften Personen so groß ist. Zum einen war es Israel durch ein Abkommen mit Biontech/Pfizer möglich, die Bevölkerung sehr früh und sehr schnell zu impfen. Die Immunisierung liegt also bei vielen Menschen schon längere Zeit zurück, daher könnte der Impfschutz bereits abnehmen.

Auch die kursierende Delta-Variante liefert eine Erklärung. Es gibt mehrere Hinweise, dass es durch die Mutation des Virus zu einer verringerten Effektivität der Impfung kommen kann.

Doch am deutlichsten lässt sich die Statistik erklären, wenn man sich die einzelnen Altersgruppen genauer ansieht.

Im Dashboard ist zu erkennen, dass nur bei Über-60-Jährigen mehr Geimpfte als Ungeimpfte hospitalisiert werden. Dies kann dadurch erklärt werden, dass in den älteren Bevölkerungsgruppen in Israel bereits ein sehr hoher Prozentsatz geimpft worden ist. Nach den Informationen des Dashboards liegt die Anzahl der Vollimmunisierungen bei Menschen über 70 Jahren bei mehr als 90 Prozent. Die Altersgruppen 40 bis 69 verzeichnen einen Wert von 80 Prozent.

Ein hohes Alter ist bei Covid-19-Erkrankungen laut Virologen ein großer Risikofaktor. Die höchste Impfrate gibt es also in den besonders gefährdeten Altersgruppen, was im Schnitt zu einem höheren Anteil der Geimpften unter den Hospitalisierten führt.

Auf dieses statistische Phänomen verweist auch der Biostatistiker Jeffrey S. Morris auf Twitter. Morris stellt die absoluten Zahlen in Relation mit der Zahl der geimpften und nicht geimpften Einwohner und schlussendlich auch mit den Altersgruppen über 50 und unter 50 Jahren.

Für die Altersgruppe über 50 berechnet Morris eine Effektivität der Impfungen von 85,2 Prozent und für Menschen unter 50 Jahren eine Effektivität von 91,8 Prozent. Dies deckt sich mit Studien, die die Effektivität von Impfungen bestätigen.

(Stand: 27.8.2021)