Daten zu vermuteten Nebenwirkungen und Todesfällen werden falsch interpretiert
7.8.2021, 16:19 (CEST), letztes Update: 7.8.2021, 16:31 (CEST)
Impfgegner verbreiten nach wie vor diverse falsche Behauptungen über die Corona-Impfung. So heißt es etwa derzeit in Facebook-Postings (hier archiviert), dass es im Jahr 2021 in der EU fast 19 000 Todesfälle nach der Corona-Impfung gegeben habe: «Im Jahr 2021 wird nach fast 19 000 Toten in der EU behauptet, das sei der sicherste "Impfstoff"».
Bewertung
Für diese Zahl gibt es keine Belege. Europäische Gesundheitsbehörden registrieren zwar Todesfälle, die in einem zeitlichen Zusammenhang zu Corona-Impfungen aufgetreten sind. Das bedeutet aber nicht, dass diese Menschen wegen der Impfung gestorben sind. In vielen dieser Fälle ist das aus Sicht von Expertinnen und Experten äußerst unwahrscheinlich. Alle in der EU zugelassenen Corona-Impfstoffe wurden umfassend auf Sicherheit und Wirksamkeit getestet.
Fakten
Das Facebook-Posting zeigt einen Tweet. Die Zahl im Tweet lässt sich weder durch eine Internetrecherche noch durch eine Anfrage bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) bestätigen. Diese ist für die Überwachung von Arzneimitteln und Impfstoffen in der EU zuständig. Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) teilte eine Sprecherin mit, die im Tweet genannte Zahl sei der EMA nicht bekannt.
Im Internet kursierten bereits in der Vergangenheit häufig Zahlen von Todesfällen, die angeblich mit der Corona-Impfung in Zusammenhang stehen. Viele dieser Zahlen beziehen sich auf die EMA-Datenbank «EudraVigilance». Dort tragen die EU-Mitgliedstaaten Fälle möglicher Nebenwirkungen durch Arzneimittel und Impfstoffe ein. In der Datenbank finden sich auch tödliche Ereignisse nach Covid-19-Impfungen.
Die in den Beiträgen behaupteten Zahlen kommen häufig folgendermaßen zustande: Man summiert die Todesfälle, die in der EMA-Datenbank als in zeitlichem Zusammenhang zu einer Corona-Impfung aufgetreten registriert sind. Das führt aus zwei Gründen zu einer völlig falschen Interpretation der Daten.
Erstens werden in der EMA-Datenbank einzelne Fälle mehrfach angeführt, wenn bei Betroffenen nach der Impfung mehrere vermutete Nebenwirkungen auftreten. Das ist auch der Fall, wenn sie sterben. Dazu heißt es von der EMA auf dpa-Anfrage: «Da ein Einzelfall mehr als eine vermutete Nebenwirkung enthalten kann, ist die Summe der tödlichen Fälle (...) immer höher als die Gesamtzahl der tödlichen Fälle.» Die tatsächliche Zahl der nach der Impfung Gestorbenen ist also geringer und lässt sich nicht aus der Datenbank ableiten.
Zweitens führt die Tabelle lediglich Verdachtsmeldungen von Fällen an, die in zeitlichem Zusammenhang zu einer Impfung registriert wurden. Der Datensatz trifft also keine Aussagen darüber, ob die Betroffenen tatsächlich aufgrund der Impfung gestorben sind. «Die Tatsache, dass jemand ein medizinisches Problem hatte oder nach der Impfung gestorben ist, bedeutet nicht unbedingt, dass dies durch den Impfstoff verursacht wurde», so die EMA-Sprecherin.
In Österreich erfasst das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) alle möglichen Nebenwirkungen von Impfstoffen. Der aktuellste Bericht zu vermuteten Nebenwirkungen nach Covid-19-Impfungen bezieht sich auf den Zeitraum vom 27. Dezember 2020 bis zum 23. Juli 2021. In diesem Zeitraum wurden demnach bei 9 325 960 im e-Impfpass eingetragenen Impfungen 33 429 Meldungen von vermuteten Nebenwirkungen in zeitlichem Zusammenhang zu einer Covid-19-Impfung gemeldet. Der Großteil der Meldungen habe zu erwartende und meist harmlose Impfreaktionen betroffen. Dem BASG seien 151 Todesfälle in zeitlicher Nähe zu einer Corona-Impfung gemeldet worden. Nur bei einem Fall wird «ein Zusammenhang mit der Impfung gesehen», 76 weitere Fälle seien noch in Abklärung.
Alle in der EU verwendeten Covid-19-Impfstoffe wurden im Vorfeld umfassend auf Wirksamkeit und Sicherheit getestet, und sie werden auch weiterhin überwacht. Dazu und zu Behauptungen rund um die EMA-Datenbank gibt es bereits mehrere dpa-Faktenchecks (hier, hier, hier, hier, hier).
(Stand: 07.08.2021)
Links
Hintergrund zur EMA-Datenbank (archiviert)
Aktueller BASG-Bericht (archiviert)
dpa-Faktenchecks zur EMA-Datenbank sowie zur Wirksamkeit und Sicherheit der Corona-Impfstoffe:
Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-oesterreich@dpa.com