Im Juni 2021 gab es in Österreich keine Übersterblichkeit

27.7.2021, 14:42 (CEST)

Seit Monaten warnen Impfkritiker vor angeblichen Gefahren, die in Zusammenhang mit der Covid-19-Impfung stehen. So behaupten Social Media-User derzeit in Facebook-Postings (hier archiviert), dass es in Österreich zuletzt eine «massive Übersterblichkeit» gegeben habe und vermuten, dass diese in Zusammenhang mit der Corona-Impfung stehe: «Da die Coronastationen leer sind (sic!) ist dies der klare Beweis, es liegt an den Gen-Spritzen», heißt es. Als Quelle dieser Behauptungen wird ein Blog-Artikel (hier archiviert) angeführt.

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Es gab im Juni 2021 in Österreich keine Übersterblichkeit. Daten zeigen, dass es in etwa so viele Todesfälle gab wie in den Monaten davor. Die Datenlage lässt derzeit keine Schlüsse auf die Ursachen der Sterbefälle zu. Es gibt keine Hinweise, dass die Corona-Impfung dafür verantwortlich ist.

Fakten

EuroMOMO ist ein europaweites Mortalitäts-Überwachungssystem, das übermäßige Todesfälle in Zusammenhang mit der Grippe oder Pandemien erkennt und misst. Die Datenbank gilt als bewährtes Instrument. Deren Daten zeigen, dass es im Juni 2021 in Österreich keine Übersterblichkeit gegeben hat.

Die Statistik Austria übermittelt tagesaktuell die sogenannte «All­Ursachen-Mortalität» an EuroMOMO. Woche für Woche lässt sich so die Mortalität eines Landes nachvollziehen. Die erwartete Mortalität wird in der Baseline dargestellt. Die Linien «Normal Range» und «Substantial increase» zeigen an, bis wann die Mortalität noch im normalen Bereich ist und ab wann sie erhöht ist. «Die beobachtete Abweichung der All-Ursachen-Mortalität von der "Baseline" wird als Über­ beziehungsweise als Untersterblichkeit bezeichnet. Die Abweichungen werden standardisiert in Form von Z-scores dargestellt», wird in einem Bericht der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) erklärt.

Ein Z-score unter zwei bedeutet gemäß EuroMOMO-Definition laut AGES keine Übersterblichkeit. Zwischen zwei und vier ist sie gering, zwischen vier und sieben mittel und zwischen sieben und zehn hoch. Ab zehn ist sie sehr hoch und ab 15 ist sie extrem hoch – das ist die letzte Stufe.

Im gesamten Juni 2021 ging der Z-score nicht über zwei hinaus, es gab also gar keine Übersterblichkeit in Österreich. Das sagte auch ein AGES-Pressesprecher der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auf Anfrage. Schon gar nicht gab es demnach eine «massive» oder «signifikante» Übersterblichkeit, wie von Social Media-Usern fälschlicherweise behauptet.

Vergleicht man die Zahl der Sterbefälle von Statistik Austria in den Kalenderwochen 22 bis 26 (Woche von 31. Mai 2021 bis zum 04. Juli 2021) mit dem Durchschnitt derselben Kalenderwochen aus den Jahren 2016 bis 2020, zeigt sich schon, dass es in jeder Juni-Woche 2021 in Österreich mehr Sterbefälle gab als im Durchschnitt der letzten Jahre. Das alleine sagt allerdings noch nicht viel aus.

Auf dpa-Anfrage betonte etwa eine Pressesprecherin von Statistik Austria, dass der Juni 2021 als Ganzes «nicht wirklich auffällig» gewesen sei. In den Kalenderwochen 22 bis 26 habe es «so wie in fast allen Wochen des Jahres 2021  - außer Februar/Anfang März - etwas mehr Sterbefälle als im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre gegeben.»

Etwas höher seien die Sterbefälle in der 24. und 25. Kalenderwoche (14. bis 27. Juni) gewesen, so die Sprecherin. Das zeigt sich auch bei EuroMOMO: In Kalenderwoche 25 (Woche von 21.06.2021 bis 27.06.2021) lag der Z-score bei 1,96, also knapp unter zwei und damit einer geringen Übersterblichkeit. In Kalenderwoche 24 (Woche von 14.06.2021 bis 20.06.2021) lag er bei 1,24.

In diese Woche fiel auch die erste große und länger andauernde Hitzewelle in Österreich, wie Daten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) zeigen. Auf einer Grafik ist die Hitzewelle zwischen 16. Juni und 24. Juni 2021 gut sichtbar. Das Flächenmittel der Lufttemperatur lag in diesen Tagen durchschnittlich sechs Grad über dem der Jahre 1981 bis 2010.

Ein Zusammenhang zwischen Hitze und den höheren Sterbefällen in diesen zwei Wochen ist also naheliegend. So gab es etwa in den vergangenen vier Jahren – mit Ausnahme von 2020 – eine Hitze-assoziierte Übersterblichkeit in Österreich. Das zeigt das Hitze-Mortalitätsmonitoring der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES). Für den Sommer 2021 liegen laut dem AGES-Sprecher allerdings noch keine aktuellen Auswertungen vor.

Auch die Statistik Austria betont, dass es noch zu früh ist, um Angaben zu den Todesursachen 2021 zu machen: «Während die Sterbefälle von den Personenstandsbehörden digital an Statistik Austria übermittelt werden, erhalten wir die Angaben zu den Todesursachen als handschriftlichen Eintrag auf Papierformularen. (…) Diese müssen vorsortiert, eingegeben, nach WHO-Standard kodiert, plausibilisiert und ausgewertet werden. Teilweise sind auch Rückfragen bei den verantwortlichen Totenbeschauärzten und Pathologen erforderlich (…). Daher dauert die Erstellung der Todesursachenstatistik deutlich länger als die der Sterbefälle», erklärt die Sprecherin.

Keine Hinweise gibt es aber, dass die erhöhten Sterbezahlen auf die Corona-Impfung zurückzuführen wären, wie in Sozialen Medien vermutet wird. Denn seit Beginn der Impfung Ende Dezember 2020 wurden nur 146 Todesfälle in zeitlicher Nähe zu einer Covid-19-Impfung gemeldet. Bei einem einzigen Fall wird bisher ein Zusammenhang mit der Impfung gesehen. Das geht aus dem aktuellen Bericht über Meldungen vermuteter Nebenwirkungen nach Covid-19- Impfungen des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) hervor (Zeitraum 27.12.2020 – 09.07.2021).

Generell war die Zahl der Sterbefälle in Österreich am höchsten, als es noch gar keine Corona-Impfung gab. So lag der Z-score in Kalenderwoche 47 des Jahres 2020 bei 11,04 und in Kalenderwoche 49 des Jahres 2020 sogar bei 12, was einer «sehr hohen» Übersterblichkeit entspricht. Dem AGES-Bericht zufolge korrelierte die Übersterblichkeit in Österreich zeitlich mit dem exponentiellen Anstieg der SARS-CoV-2 Infektionsfälle seit Kalenderwoche 43. 

Laut einer Presseaussendung von Statistik Austria von Ende Juni 2021 schwankt die Zahl der Sterbefälle seit Mitte Mai. Zu Jahresbeginn sei die Zahl der wöchentlichen Sterbefälle aber noch bei rund 2 000 und damit um etwa 500 Gestorbene pro Woche höher als Mitte Juni gelegen, heißt es.

Die Zahl der Corona-Todesfälle lag in den Kalenderwochen 22 bis 26 bei 88. Die Hospitalisierungen gingen in dem Zeitraum kontinuierlich zurück, zeigt das AGES-Dashboard

(Stand: 27.07.2021)

Links

Über die Datenbank EuroMOMO (archiviert)

Bericht der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) über Übersterblichkeit in Österreich (archiviert)

Mortalitätsstatistik von EuroMOMO (archiviert)

Sterbefälle in Österreich 2016-2021 laut Statistik Austria (Download) (archiviert)

Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) zu Temperaturen im Juni 2021 (16. Juni archiviert, 17. Juni archiviert, 18.  Juni archiviert, 19. Juni archiviert, 20. Juni archiviert, 21. Juni archiviert, 22. Juni archiviert, 23. Juni archiviert, 24. Juni archiviert)

Hitze-Mortalitätsmonitoring der AGES (archiviert)

Bericht über Meldungen vermuteter Nebenwirkungen nach Covid-19- Impfungen des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) (archiviert)

Presseaussendung von Statistik Austria (24.6.2021) (archiviert)

AGES-Dashboard zu Corona-Sterbefällen und Hospitalisierungen (archiviert)

Facebook-Posting (archiviert)

Report 24-Artikel (archiviert)

Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-oesterreich@dpa.com