Urteil falsch interpretiert – Über 16 000 Menschen starben in Portugal an Covid-19

10.7.2021, 13:12 (CEST)

In den Sozialen Medien gab es zuletzt Aufregung über ein Gerichtsurteil in Portugal. In einem Facebook-Posting (hier archiviert) wird etwa behauptet, dass dem Urteil zufolge nur 0,9 Prozent «der verifizierten Fälle» an Covid-19 gestorben seien - also 152 und nicht 17 000 wie behauptet. Kann das stimmen?

BEWERTUNG

In dem Urteil werden nur die 152 Fälle genannt, bei denen die Sterbeurkunden direkt von Ärztinnen und Ärzten des Justizministeriums ausgestellt wurden. Insgesamt sind in Portugal bis zu dem Gerichtsurteil im April 2021 16 945 Menschen an Covid-19 verstorben.

FAKTEN

Die Inhalte im Facebook-Posting wurden einem Online-Artikel entnommen, der wiederum auf einen portugiesischen Beitrag zurückgeht. In dem Artikel ist das Urteil verlinkt - es existiert tatsächlich. Es wurde am 19. Mai 2021 vom Verwaltungsgericht Lissabon gefällt, vorausgegangen war ein Auskunftsersuchen einer Bürgergruppe an die Generaldirektion Gesundheit (DGS) Portugals.

Allerdings wird in dem Gerichtsurteil auf den Seiten 7, 8 und 13 lediglich festgehalten, dass es seit Beginn der Pandemie und bis zum Zeitpunkt des Urteils 152 Sterbeurkunden von Ärztinnen und Ärzten des Justizministeriums gab, auf denen die Todesursache Covid-19 vermerkt war. Die Sterbeurkunden, die hier erwähnt werden, stellen damit laut Urteil (Seite 7) nur jene dar, die von Ärzten und Ärztinnen des INMLCF, dem Nationalen Institut für Rechtsmedizin und Forensik, ausgestellt wurden - und schließen damit alle anderen Fälle nicht aus.

In einem Faktencheck des portugiesischen Observador wird diese Zahl von der portugiesischen Generaldirektion für Gesundheit als «der kleinste Teil» eingeordnet: «Die überwiegende Mehrheit der Sterbeurkunden, die vom DGS ausgestellt und später codiert werden, wird von Ärzten mit einer Verbindung zum DGS ausgestellt». Gleichzeitig wurde die Anzahl von zu diesem Zeitpunkt «insgesamt 16 945 Todesfälle[n] durch Covid-19 in Portugal» bestätigt.

Poligrafo, eine weitere portugiesische Faktencheck-Organisation, kam zum selben Ergebnis. Nach portugiesischem Recht kann jeder von der portugiesischen Ärztekammer zugelassene Arzt einen Todesfall feststellen und eine Sterbeurkunde ausstellen - einschließlich, aber nicht beschränkt auf INMLCF-Ärzte.

(Stand: 9.7.2021)

Links

Artikel auf «tkp» (archiviert)

Artikel auf andre-dias.net (archiviert)

Urteil des Lissaboner Verwaltungsgerichts (19.5.2021)

Nationales Institut für Rechtsmedizin und Forensik INMLCF (archiviert)

Faktencheck des portugiesichen Observador (archiviert)

Poligrafo-Faktencheck (archiviert)

Our World in Data: «Cumulative conformed COVID-19 deaths [Portugal]» (archiviert)

Facebook-Posting: https://www.facebook.com/daniel.hormann.167/posts/5262074123862414 (archiviert https://archive.is/AuEKw)

Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-oesterreich@dpa.com