12,6 Prozent der Frauen erlitten laut Studie Fehlgeburt – keine Sicherheitsbedenken

2.8.2021, 16:31 (CEST)

Das Thema Covid-19-Impfung bei Schwangeren wird in den Sozialen Medien seit längerem kontrovers diskutiert. Einige verbreiten zu dem sensiblen Thema aber auch Falschinformationen. Derzeit wird etwa häufig in Facebook-Postings (hier archiviert) behauptet, die «Baby-Todesrate» liebe bei früh-geimpften Schwangeren bei 82 Prozent. Von 127 Frauen, die im ersten Schwangerschaftsdrittel geimpft worden seien, hätten 115 ihr Baby verloren. Das zeige eine Studie des «New England Journal of Medicine».

BEWERTUNG

Das ist falsch. 12,6 Prozent der Frauen erlitten der Studie zufolge eine Fehlgeburt. Der Anteil entspricht dem Durchschnitt. Die vorläufigen Ergebnisse der Studie deuten nicht auf Sicherheitsbedenken hin. Auch der Ärztekammer Wien, der US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG) zufolge zeigten sich bis dato keine relevanten Sicherheitsrisiken in Bezug auf geimpfte Schwangere.

FAKTEN

Die Facebook-Postings kursieren in mehreren Ländern und gehen zurück auf Blog-Artikel - wie etwa beim Online-Portal «Report24» oder dem niederländischen Portal «Niburu». Der erste Beitrag bezieht sich wiederum auf ein englisches Medium namens «Z3 News». Mehrmals wird zu der Studie «Preliminary Findings of mRNA Covid-19 Vaccine Safety in Pregnant Persons» im medizinischen Fachjournal «New England Journal of Medicine» (NEJM) verlinkt. Auch aufgrund der genannten Zahlen lässt sich darauf schließen, dass sich die Behauptungen auf die Studie beziehen.

Kern der Desinformation ist eine Rechnung, die sich auf falsche Zahlen stützt bzw. einem Denkfehler unterliegt. Allein die Rechnung im Facebook-Posting ist schon falsch. Angenommen, von 127 schwangeren Frauen würden theoretisch 115 ihr Baby verlieren, so läge der prozentuale Anteil nicht bei 82 Prozent, sondern bei 91 Prozent. Aber auch eine Rate von 82 Prozent ist falsch.

Von 3958 Teilnehmerinnen hatten 827 eine vollendete Schwangerschaft, deren Daten flossen also in die Berechnung der Fehlgeburten hinein. 115 dieser 827 Frauen (13,9 Prozent) hatten einen «Schwangerschaftsverlust» («pregnancy loss», Anm. dieser Begriff wird zwar mit Fehlgeburt übersetzt, meint aber in dem Kontext prinzipiell den Verlust der Schwangerschaft, der vielfältig sein kann). 712 Teilnehmerinnen (86,1 Prozent) hatten eine sogenannte Lebendgeburt («live birth»).

104 Frauen (12,6 Prozent) erlitten eine Fehlgeburt («spontaneous abortion»), eine Frau eine Totgeburt (0,1 Prozent) und zehn Frauen (1,2 Prozent) hatten eine Abtreibung oder Eileiterschwangerschaft (Anm. diese kann nicht ausgetragen werden). Zu 96 von 104 Fehlgeburten (92,3 Prozent) kam es innerhalb der ersten 13 Schwangerschaftswochen. 700 Frauen (84,6 Prozent) erhielten ihre erste Impf-Dosis im dritten Trimester.

Bei der Berechnung der Fehlgeburten (angeblich 82 Prozent) machen die Poster nun einen Denkfehler: Die Rate der Fehlgeburten setzt sich nicht zusammen aus 104 Frauen mit Fehlgeburt vor der 20. SSW von 127 Frauen, die im ersten oder zweiten Trimester geimpft worden sind, sondern sie wird berechnet aus 104 Frauen von insgesamt 827 Teilnehmerinnen mit abgeschlossener Schwangerschaft. Das sind, wie in der Studie angegeben, 12,6 Prozent.

Die Facebook-Poster kommen auf 82 Prozent, weil sie die Fehlgeburten aus den bisher abgeschlossenen Schwangerschaften berechnen. Tatsächlich gibt es aber viele Frauen, deren Schwangerschaft noch läuft und die im ersten oder zweiten Trimester geimpft worden sind. Deshalb wären es mehr als 127 frühgeimpfte Schwangere, unter denen man den Prozentsatz an Fehlgeburten berechnen müsste. Das sagte auch eine Sprecherin der US-Gesundheitsbehörde CDC der AFP für einen Faktencheck zu dem Thema.

Laut Studie scheint die Zahl negativer Schwangerschaftsentwicklungen - wie zum Beispiel Fehlgeburten - bei Geimpften in etwa so hoch zu sein wie bei Untersuchungen vor der Corona-Pandemie. Die vorläufigen Ergebnisse hätten jedenfalls keine Sicherheitsbedenken bei Schwangeren ergeben, die mRNA-Covid-19-Impfstoffe erhalten hatten. Wie in einem dpa-Faktencheck zur selben Studie bereits dargelegt, liegt der Anteil der Frauen, die in der Studie eine Fehlgeburt hatten, im Durchschnitt.

Dem medizinischen Journal The Lancet (2021) zufolge liegt das Gesamtrisiko, eine Fehlgeburt zu erleiden, etwa bei 15,3 Prozent. Die US-Stiftung March of Dimes gibt das Risiko mit zehn bis 15 Prozent an. Die US-Organisation Planned Parenthood nennt zehn bis 20 Prozent. Laut dem wissenschaftlichen Informations-Portal Science Direct (2019) ist die Fehlgeburt die häufigste Komplikation in der Schwangerschaft. Berichten zufolge hätten 12 bis 24 Prozent der Frauen mit positivem Schwangerschaftstest eine Fehlgeburt.

In einem Schreiben der Ärztekammer Wien heißt es, dass sich auf Basis von Daten des US-Impfsicherheitsregisters V-Safe (Anm. das auch bei der NEJM-Studie herangezogen wurde) «keinerlei spezifische Risiken für Schwangere, für die fetale Entwicklung und für Neugeborene» gezeigt hätten. «Im Rahmen der Datensammlung konnten 275 Schwangerschaften bereits abschließend ausgewertet werden. Dabei wurden keine höheren Risiken für Fehl- oder Totgeburten, Schwangerschaftskomplikationen, Frühgeburten oder Komplikationen beim Fötus/Neugeborenen im Vergleich zu Schwangeren ohne COVID-Impfung festgestellt».

Es wird außerdem darauf hingewiesen, dass Schwangere mittlerweile im Impfplan priorisiert werden, weil sie im Fall einer Covid-19-Erkrankung, ein dreifach höheres Risiko für schwere Verläufe oder eine Frühgeburt haben: «Eine Impfung kann dies verhindern.»

In Österreich werden Schwangere zudem ohnehin erst ab dem zweiten Trimester geimpft. «Die Empfehlung erst im zweiten Trimenon zu impfen, basiert darauf, dass in einer Frühschwangerschaft etwaige Fehlgeburten/Fehlbildungen dazu führen könnten, diese in Zusammenhang mit der Impfung zu bringen. Dies würde zu einer deutlichen Verunsicherung der Schwangeren führen», heißt es dazu. 

Auch die US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) schreibt, dass keine Sicherheitsbedenken für schwangere Frauen bestünden, die geimpft wurden. Die Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe(OEGGG) empfiehlt in ihrer Stellungnahme von 29. April 2021, Schwangeren aufgrund des erhöhten Risikos für einen schweren Verlauf die Corona-Impfung zu ermöglichen.

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Hinweis: Der 5. und 6. Absatz wurden neu formuliert, um statistsche Zusammenhänge deutlicher zu machen. Außerdem wurde der Link zu einem AFP-Faktencheck hinzugefügt.

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(Stand: 7.7.2021)

Links


Artikel von «Report24» (archiviert)

Artikel von niederländischem Online-Portal «Niburu» (archiviert)

Artikel von Online-Portal «Z3 News» (archiviert)

Studie im «New England Journal of Medicine» (archiviert)

dpa-Faktencheck zur Studie

The Lancet über Anteil von Fehlgeburten (archiviert)

US-Stiftung March of Dimes über Anteil von Fehlgeburten (archiviert)

Planned Parenthood über Anteil von Fehlgeburten (archiviert)

Informations-Portal Science Direct über Fehlgeburten (archiviert)

Schreiben der Ärztekammer Wien (archiviert)

Infos der US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC)(archiviert)

Stellungnahme der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG) (archiviert) (Download)

AFP-Faktencheck (archiviert)

Facebook-Posting (archiviert)

Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-oesterreich@dpa.com