Infos auf Bildschirm stammen aus Meinungsbeitrag und spiegeln nicht die Position des Gerichts wider

21.6.2021, 13:43 (CEST)

Spätestens seit der Zulassung des Corona-Impfstoffs von Biontech/Pfizer für 12- bis 15-Jährige wird über Sicherheit und Notwendigkeit des Impfens von Kindern kontrovers diskutiert. Dabei werden aber auch irreführende Informationen verbreitet. Derzeit kursiert etwa auf Facebook (hier archiviert) ein Foto, das einen Bildschirm im Landesgericht Wels zeigen soll. Dort steht: «Covid-Impfungen für Kinder sind keineswegs sicher, sondern riskant. [premium] In der Zulassungsstudie litten 80 Prozent der Kinder an Nebenwirkungen. Die Wirksamkeit wurde grob verzerrt dargestellt, die Zahl der Probanden war zu gering.» Einige User missverstehen das als Position des Gerichts. «Ein Teil der Justiz ist auf Seiten der Kinder», heißt es etwa in einem Posting.

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Das ist irreführend. Auf dem Bildschirm werden laut Oberlandesgericht Linz automatisch News eines Anbieters, in dem Fall der Tageszeitung «Die Presse», eingespielt. Die Inhalte spiegeln nicht die Position des Landesgerichtes Wels wider. Es handelt sich um einen Gastkommentar, der keine allgemeingültigen Fakten wiedergibt.

Fakten

Wie eine Pressesprecherin des Landesgerichts Wels der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sagte, war der «Presse»-Beitrag auf einem Bildschirm im Gericht zu sehen. Ein Sprecher des Oberlandesgerichtes Linz erklärte in einem Telefonat weiter, dass wie in jedem Newsfeed automatisch Nachrichten von einem gewissen Anbieter auf den Screen gespielt würden – in dem Fall Beiträge der Tageszeitung «Die Presse»: «Das wird ungefiltert hineingespielt wie bei U-Bahnen in Wien etwa», so der Sprecher. Er bestätigte, dass sich nicht um die offizielle Position des Landesgerichtes Wels oder anderer Gerichte im Oberlandesgerichtssprengel Linz handele, die ebenfalls mit Nachrichten versorgt werden.

Bei dem Artikel (Paywall) der «Presse» geht es um einen Meinungsbeitrag. Es werden keine allgemeingültigen Fakten wiedergegeben. Im Beitrag heißt es u.a., dass in der Zulassungsstudie von Biontech/Pfizer 80 Prozent der Kinder an Nebenwirkungen gelitten hätten und die Wirksamkeit «grob verzerrt» dargestellt worden sei.

Die Ergebnisse der Impfstoff-Studie bei 12- bis 15-Jährigen, die Biontech/Pfizer vor einigen Wochen vorgelegt hatte, wurden mittlerweile von Expertinnen und Experten begutachtet und im renommierten medizinischen Fachjournal «New England Journal of Medicine» (NEJM) veröffentlicht. Die Informationen basieren also nicht mehr nur auf Herstellerangaben, sondern wurden einer unabhängigen Prüfung unterzogen.

Dem Artikel im NEJM zufolge hatte die Impfung wie auch in anderen Altersgruppen ein positives Sicherheits- und Nebenwirkungsprofil mit hauptsächlich vorübergehender leichter bis mäßiger «Reaktogenität» – gemeint sind hier Impfreaktionen, die von Nebenwirkungen zu unterscheiden sind.

Vorwiegend seien Schmerzen an der Einstichstelle (79 bis 86 Prozent), Müdigkeit (60 bis 66 Prozent) und Kopfschmerzen (55 bis 65 Prozent) gemeldet worden. Diese seien innerhalb von ein bis zwei Tagen verschwunden. Diese Reaktionen sind notwendig, da sie zeigen, dass das Immunsystem auf den Impfstoff reagiert. In der Studie habe es keine Impfstoff-bezogenen «schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse» (englisch serious adverse events, SAE) gegeben.

Nicht nur die Hersteller, auch die Wissenschafterinnen und Wissenschafter des medizinischen Journals geben in der Studie die Wirksamkeit des Vakzins mit 100 Prozent an. In der Gruppe der Geimpften gab es keinen Covid-19-Fall, in der Kontrollgruppe hingegen 16. Auch bei allen anderen Covid-19-Impfstoffen ist es üblich, die relative Wirksamkeit anzugeben.

Dies tun auch große Gesundheitsinstitutionen wie das Robert Koch-Institut (RKI) oder das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) (hier, hier). Einige Wissenschafter vertreten die Ansicht, dass es aussagekräftiger wäre, die absolute Wirksamkeit anzugeben – das bleibt allerdings Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion.

(Stand: 18.6.21)

Links

Meinungsbeitrag in «Die Presse» (Paywall) (archiviert)

Presseaussendung von Biontech/Pfizer zu Ergebnissen von Impfstoff-Studie bei 12- bis 15-Jährigen (archiviert)

Artikel im Fachjournal «New England Journal of Medicine» (NEJM) über Ergebnisse (archiviert)

Unterschied Impfreaktionen und Impfnebenwirkungen (archiviert)

Robert Koch-Institut (RKI) über Wirksamkeit von Covid-19-Impfstoffen (archiviert)

Paul-Ehrlich-Institut (PEI) über Wirksamkeit von Covid-19-Impfstoffen (archiviert)

Paul-Ehrlich-Institut (PEI) u.a. über relative Wirksamkeit (archiviert)

Kommentar im Fachjournal «The Lancet» über den Vergleich zwischen relativer und absoluter Wirksamkeit (archiviert)

Facebook-Posting (archiviert)

Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-oesterreich@dpa.com