Keine Angst zu haben, schützt nicht vor dem Coronavirus

17.06.2021, 13:27 (CEST)

Die Corona-Pandemie stellt auch mental eine große Herausforderung dar. Viele Menschen haben Angst, sich zu infizieren und zu erkranken. In dem Zusammenhang wird in einem oft geteilten Facebook-Posting (hier archiviert) behauptet, dass Viren einem kaum etwas anhaben könnten, wenn man nur keine Angst vor ihnen hätte. Das soll ein angebliches wissenschaftliches Experiment zeigen, demzufolge einem zum Tode verurteilten Mann vorgetäuscht worden sei, dass er verblute. Aus Angst sei der Mann schließlich gestorben. Das sei auf das Corona-Virus übertragbar, so die Argumentation. Ist man jedoch bei guter Gesundheit und habe Vertrauen, so habe das Virus kaum eine Chance, wird behauptet.

Bewertung

Das ist falsch, sagen Forscher. Keine Angst zu haben, schützt nicht vor Virusinfektionen und auch nicht vor einem schweren Krankheitsverlauf. Wissenschaftliche Studien belegen allerdings, dass chronischer Stress das Immunsystem schwächt.

Fakten

Der Text im Facebook-Beitrag findet sich auch in mehreren Blogs (hier, hier). Silvia Capellino vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der Technischen Universität Dortmund sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auf Anfrage, dass Auswirkungen von Stress auf das Immunsystem zwar belegt seien, das aber trotzdem leider nicht bedeute, dass furchtlos zu sein gegen Viren schütze.

Die Neuroimmunologin forscht zu Einflüssen der Psyche auf das Immunsystem. Dabei hat sich in einer Studie des Instituts herausgestellt, dass kurzfristiger Stress, etwa vor einer Prüfung, das Immunsystem sogar stärkt. Konstanter Stress scheint hingegen das Immunsystem zu schwächen. Wie genau das funktioniert, versuchen Forscher des Instituts gerade herauszufinden. In beiden Fällen ist Stress aber nur einer von vielen Einflüssen auf die Immunreaktion des Körpers.

Manfred Schedlowski, Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie und Verhaltensimmunbiologie an der Universität Essen, teilte der dpa mit, dass mit absoluter Sicherheit kein funktioneller Zusammenhang zwischen Angst und dem Infektionsrisiko bei Sars-CoV-2 existiere. Weder mache Angst vor dem Virus infektionsanfälliger «noch schützt "keine" Angst in irgendeiner Form vor dem Virus». Da es keinerlei Hinweise auf diesen Zusammenhang gibt, existieren dem Experten zufolge auch keine wissenschaftlichen Studien dazu.

Es gibt auch keine Hinweise, dass das Bild im Posting irgendetwas mit der beschriebenen Anekdote zu tun hat. Der Mann im Bild wurde etwa um 1900 in dem New Yorker Gefängnis Sing Sing auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet, wie mehrere Fotos zeigen (hier, hier, hier). Über die Hintergründe ist wenig bekannt.

In dem Beitrag wird zudem behauptet, Menschen könnten vor Angst sterben. In äußerst seltenen Fällen kann das tatsächlich passieren, wie mehrere Mediziner in einem Artikel der American Heart Foundation bestätigen. In diesen Fällen reagiert der Körper aber auf eine plötzliche, extrem starke Angst mit einer starken Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin. Belege für einen langsamen Tod durch dauerhafte Angst wie in dem Facebook-Beitrag beschrieben, gibt es hingegen nicht.

(Stand: 16.6.2021)

Links

Blog-Beitrag 1 (archiviert)

Blog-Beitrag 2 (archiviert)

Professor Manfred Schedlowski bei der Universität Essen

Professorin Silvia Capellino beim Leibinz-Institut für Arbeitsforschung

Studie zu Einfluss von Stress vor Prüfungen auf das Immunsystem (archiviert)

Studien zum Einfluss von Stress auf die Immunreaktion (archiviert)

American Heart Foundation über das Sterben vor Angst (archiviert)

Foto auf Webseite des Eastman Museum (archiviert)

Andere Fotos von Szene auf Webseite es Eastman Museum (archiviert)

Foto auf Getty Images (archiviert)

Facebook-Posting (archiviert)

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