Corona-Geimpfte dürfen weiterhin fliegen
8.6.2021, 16:44 (CEST)
Mit dem elektronischen Grünen Pass soll ab Juli 2021 das EU-weite Reisen während der Pandemie erleichtert werden. Schon vor diesem Stichdatum gibt es unterschiedliche Behauptungen über das neue Dokument und seine Auswirkungen. So heißt es etwa in einem oft geteilten Facebook-Posting von Ende Mai 2021, Corona-Geimpfte dürften angeblich kein Flugzeug zur Reise benutzen. (hier archiviert) Der vermeintliche Hintergrund: «Genau in diesem Moment beraten die Fluggesellschaften über die geimpften Kunden und das große Risiko, dass sie durch das experimentelle mRNA-Serum Blutgerinnsel bekommen», heißt es in dem Post. Gerinnungs- und Blutungsprobleme seien eine der Hauptreaktionen der Impfung. «Diese Diskussionen haben gerade erst begonnen, aber es sieht so aus, dass jeder, der geimpft ist, nicht fliegen darf», heißt es gegen Ende im Post. Stimmt das?
BEWERTUNG: Das ist falsch. Dem Internationalen Dachverband der Fluggesellschaften (IATA) ist «nicht bekannt», dass Fluggesellschaften erwägen, gegen Covid-19 geimpften Personen das Fliegen zu verbieten. Der europäische Verband A4E (Airlines for Europe) bezeichnet die Meldung als «Fake News». Thrombotische Thrombozytopenie (VITT) gilt bei den Vektorimpfstoffen als sehr seltene Nebenwirkung.
FAKTEN: Der Text im Facebook-Posting stammt aus einem Blog-Artikel. Große Verbände von Airlines haben allerdings keine Kenntnis über die im Artikel erwähnten angeblichen Diskussionen. Der International Air Transport Association (IATA) etwa «sind keine Fluggesellschaften bekannt, die erwägen, den Flug von Geimpften zu verbieten», sagte eine Pressesprecherin der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auf Anfrage. Der Verband fordere, dass für geimpfte Passagiere keine Tests oder Quarantäne nötig sein sollten, lehne eine Impfpflicht aber ab. Auch die Austrian Airlines gehören der IATA an.
Ähnlich äußerte sich auf dpa-Anfrage der Verband European Airlines for Europe (A4E): «Wir können bestätigen, dass es sich tatsächlich um Fake News handelt.» Der Verband unterstützte weltweite Impfbemühungen und sehe eine «Schlüsselrolle der Impfung bei der Eindämmung der Epidemie, dem Schutz der Schwächsten und der Wiederaufnahme des Reisens», so eine A4E-Sprecherin.
Auch weitere Annahmen über Thromboserisiken durch Impfstoffe sind im Text falsch. Nebenwirkungen, die Gerinnungsprobleme betreffen, sind nicht «eine der Hauptreaktionen» - wie im Text behauptet wird. Bekannt sind Thrombotische Thrombozytopenie (VITT)- auch genannt Thrombose mit Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) - als sehr seltene Nebenwirkung der Corona-Impfung bei den Vektor-basierten Impfstoffen von Astrazeneca und Johnson & Johnson.
In Österreich erfasst das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) alle vermuteten Nebenwirkungen von Impfstoffen. Der aktuelle Bericht zu vermuteten Nebenwirkungen nach Covid-19-Impfungen bezieht sich auf den Zeitraum vom 27. Dezember 2020 bis zum 28. Mai 2021. In diesem seien 26 085 Meldungen von vermuteten Nebenwirkungen im zeitlichen Zusammenhang mit der Covid-19-Impfung gemeldet worden. Bis zum Zeitpunkt der Berichtserstellung seien fast fünf Millionen Impfungen im e-Impfpass eingetragen gewesen. Der Großteil der Meldungen hat laut Bericht zu erwartende Impfreaktionen wie Kopfweh, Fieber, Müdigkeit oder Schmerzen an der Einstichstelle betroffen.
In Europa ist dem Bericht zufolge «sehr selten» nach einer Impfung mit dem Impfstoff von Astrazeneca die Kombination von Thrombose und Thrombozytopenie (VITT) beobachtet worden. Dies schließe «schwere Fälle ein, die meist als venöse Thrombosen auftreten, bei gleichzeitiger Thrombozytopenie». Bezüglich dieser sehr seltenen Blutgerinnungsstörungen sieht die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) einen Zusammenhang zur Astrazeneca-Impfung.
Dem BASG zufolge wurden in Österreich acht Fälle in zeitlicher Nähe zu einer Astrazeneca-Impfung gemeldet, bei denen das Krankheitsbild einer VITT vermutet werde. Das BASG meldet alle Daten zu vermuteten Nebenwirkungen der EMA.
Die EMA veröffentlicht regelmäßig Sicherheitsupdates zu den Covid-19-Impfstoffen. Sie schreibt im aktuellen Update zum Astrazeneca-Impfstoff ebenfalls, dass es sich bei der Thrombose mit Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) um eine «sehr seltene Nebenwirkung» handle. Dasselbe steht im aktuellsten Sicherheitsupdate zum Impfstoff Janssen.
In den Sicherheitsupdates zu den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna ist von TTS keine Rede. Im Update von Biontech/Pfizer von 29. März 2021 steht zudem, dass es keine Hinweise darauf gebe, dass gemeldete Fälle von Immunthrombozytopenie (ITP) mit dem Impfstoff in kausalem Zusammenhang stehen. Dasselbe steht im Moderna-Update von 29. März 2021. Im aktuellen Sicherheitsupdate zu Moderna steht, dass Fälle von ITP weiter untersucht werden würden. Auch sonstige thrombotische Ereignisse werden in den Sicherheitsupdates der mRNA-Impfungen nicht erwähnt. Zusammengefasst: Von einem «großen Risiko», wie im Post behauptet, durch die mRNA-Impfung Blutgerinnsel zu bekommen, kann nicht die Rede sein.
Insgesamt ist die Gefahr einer tiefen Beinvenenthrombose auf langen Flügen bekannt, aber sehr gering. Ungefähr 2 von 10 000 Passagieren bekamen nach einem mehr als vierstündigen Flug eine Thrombose, die zu Beschwerden führte, haben Studien nach Angaben der Seite «gesundheitsinformation.de» ermittelt. Das Risiko steigt, je länger der Flug dauert, und wenn Passagiere bereits ein erhöhtes Thromboserisiko haben.
(Stand: 7.6.2021)
Links
APA-Artikel zu elektronischem Grünen Pass (archiviert)
International Air Transport Association (IATA) (archiviert)
Verband European Airlines for Europe (A4E)
EMA-Sicherheitsupdate zu Astrazeneca (archiviert)
EMA-Sicherheitsupdate zu Janssen (archiviert)
EMA-Sicherheitsupdate zu Biontech/Pfizer von 29. März 2021 (archiviert)
EMA-Sicherheitsupdate zu Moderna von 29. März 2021 (archiviert)
Aktuelles EMA-Sicherheitsupdate zu Moderna (archiviert)
Informationen mit Angabe wissenschaftlicher Studien auf «gesundheitsinformation.de» zur Thrombose-Vorbeugung auf Flugreisen (archiviert)
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