Indische Regierung bezweifelt nicht die Existenz der Corona-Variante, sondern wehrt sich gegen deren Bezeichnung

04.06.2021, 09:24 (CEST)

Immer wieder wird im Netz angezweifelt, dass das Coronavirus Sars-CoV-2 wirklich gefährlich ist. Einen neuen Hinweis darauf soll eine Aussendung der indischen Regierung geben, die sich bemüht, die Bezeichnung «indische Variante» für die in Indien entdeckte Variante zu unterbinden. Skeptiker interpretieren dies dahingehend, dass es diese Variante gar nicht gebe. Derzeit kursieren zahlreiche Postings (hier archiviert) mit ähnlichen Texten. «Damit sind westliche Medien und Panikmacher wie Karl Lauterbach einmal mehr der Lüge überführt», heißt es etwa.

BEWERTUNG

Die Existenz der Coronavirus-Variante wird von Indien nicht bezweifelt. Die Regierung wehrt sich lediglich gegen die Bezeichnung der dort zuerst nachgewiesenen Variante als «indische Variante».

FAKTEN

Durch die Herkunft des Virus Sars-CoV-2 und erstmalige Nachweise bestimmter Varianten wurden verschiedene Länder mit dem Erreger in Verbindung gebracht. Unter dem ehemaligen US-Präsident Donald Trump konnte eine politische Instrumentalisierung beobachtet werden, wenn er das Coronavirus als «chinesisches Virus» bezeichnete.

Nun wehrt sich Indien dagegen, dass eine nun kursierende und in Indien entdeckte Variante als «indische Variante» Eingang in den globalen Sprachschatz findet. So hat die indische Regierung soziale Netzwerke zur Entfernung von Inhalten aufgefordert, die den Begriff «indische Variante» verwenden. Allerdings bedeutet dies nicht, dass die indische Regierung die Existenz der entsprechenden Variante oder sogar des Coronavirus generell anzweifelt.

In dem Schreiben wird das Anliegen unter anderem mit dem Argument begründet, dass auch die Weltgesundheitsbehörde WHO den Begriff nicht verwenden würde. Dies lässt sich allerdings mit einer Google-Suche widerlegen.

Jüngst hat die WHO jedoch wegen der beschriebenen Problematik bestimmte Coronavirus-Varianten offiziell umbenannt: Sie verwendet seit dem 31. Mai 2021 die Buchstaben des griechischen Alphabets als Bezeichnungen - eben um zu verhindern, dass die Varianten nach den Ländern benannt werden, in denen sie zuerst entdeckt wurden. «Das ist stigmatisierend und diskriminierend», so die WHO. Die zunächst in Indien nachgewiesene Dreifachmutation B.1.617 heißt nun Delta-Variante.

Auch Expertinnen wie die Soziologin und Sprachforscherin Brigitte Nerlich von der Universität Nottingham weisen auf die Problematik hin. «Diese länderspezifischen Namen eignen sich sehr gut für negatives Framing, das mit ausländer- und migrantenfeindlichen Einstellungen einhergeht», so Nerlich.

(Stand: 4.6.2021)

Links

Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19 beim RKI (archiviert)

«Spiegel»-Artikel zum Vorgehen der indischen Regierung (archiviert)

Mitteilung der indischen Regierung (archiviert)

Google-Suche nach Begriff «indischer Variante» auf der WHO-Seite (archiviert)

WHO zur Umbenennung der Varianten (archiviert)

ORF zur Variante B.1.617 (archiviert)

Beitrag der Soziologin Brigitte Nerlich (archiviert)

Beitrag auf Facebook (archiviert)

Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-oesterreich@dpa.com