Behauptungen zu Zulassung, Wirksamkeit und Sicherheit der Covid-19-Impfstoffe sind falsch

02.06.2021, 17:16 (CEST)

Falschinformationen zu Corona-Impfstoffen reißen in den sozialen Medien nicht ab: Die Impfung habe nur eine Notfallzulassung, sie biete den angeblichen «Versuchsteilnehmern» keinen Schutz und sie bedeute «ein enormes, unerforschtes Risiko massiver Nebenwirkungen bis hin zum Tod». So heißt es etwa in einem Facebook-Posting (hier archiviert), das einen Ausschnitt eines Informationstextes des Gesundheitsministeriums kommentiert.

BEWERTUNG

Das ist falsch. Alle in der EU verwendeten Covid-19-Impfstoffe wurden im Vorfeld umfassend auf Wirksamkeit und Sicherheit getestet, und sie werden auch weiterhin überwacht. Sie erhielten allesamt eine bedingte Marktzulassung, nicht nur eine Notfallzulassung. Die zugelassenen Impfstoffe gelten als sehr wirksam. Die gemeldeten vermuteten Nebenwirkungen liegen in Österreich im erwarteten Bereich.

FAKTEN

Der im Facebook-Posting gezeigte Ausschnitt wurde den FAQs des Gesundheitsministeriums zur Corona-Impfung entnommen. Dort wird unter anderem darauf hingewiesen, dass es vor allem bei der Impfung älterer Menschen oder Hochrisikogruppen möglich sei, dass jemand kurz nach der Corona-Impfung stirbt - ohne dass ein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung besteht. Vor allem zu Beginn der Kampagne wurden Menschen geimpft, die zu diesen Gruppen gehören.

In der EU wurden bisher vier Corona-Impfstoffe mittels bedingter Marktzulassung zugelassen. In Anbetracht der Dringlichkeit sollten die Zulassungen so schnell wie möglich erfolgen. Trotzdem wurden alle vom Impfstoffentwickler vorgelegten Nachweise einer «unabhängigen, gründlichen und soliden Prüfung» durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) unterzogen, wie es auf der Webseite der EU-Kommission heißt. Diese genehmigt die Zulassung der Impfstoffe nach einer positiven Empfehlung der EMA.

«Das Verfahren umfasst verschiedene Kontrollen und Gegenkontrollen und beruht auf einem Peer-Review-System, an dem viele Experten beteiligt sind. (...) Der Ausschuss für Humanarzneimittel (Anm. der EMA) wird nur dann eine positive Empfehlung abgeben, wenn die Nachweise überzeugend belegen, dass der Nutzen der Impfung größer ist als die Risiken, die von dem Impfstoff ausgehen», so die EU-Behörde.

Entscheidend für eine Beschleunigung des Verfahrens sind laut EU-Kommission die fortlaufenden Überprüfungen. Es werden also Daten bewertet, sobald sie verfügbar sind («Rolling Review») - und nicht erst, wenn alle Untersuchungen abgeschlossen sind. Impfstoffentwickler können zusätzliche Daten auch noch nach der Zulassung vorlegen. «Dadurch werden die normalen Beurteilungszeiten erheblich verkürzt, wobei die Grundsätze von Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit gewahrt bleiben», so die EU-Kommission.

Die bedingte Marktzulassung ist von einer Notfallzulassung zu unterscheiden: Bei letzterer handelt es sich laut EU-Kommission gar nicht um eine Zulassung des Impfstoffs an sich, sondern um «die Zulassung der vorübergehenden Anwendung eines nicht zugelassenen Impfstoffs». Das Arzneimittel bleibe unlizenziert. 

Auch die EMA betont, eine bedingte Marktzulassung garantiere, dass das Arzneimittel strengen EU-Standards entspreche. An die Sicherheit von Covid-19-Impfstoffen würden dieselben Anforderungen gestellt wie an jeden anderen in der EU zugelassenen Impfstoff, teilt die EMA an anderer Stelle mit.

In jedem Impf-Zulassungsverfahren müssen verschiedene Phasen durchlaufen werden - etwa Testungen im Labor, klinische Studien und abschließende Evaluationen. Wie eine Grafik (Figure 2) der EMA zeigt, ist der Ablauf bei der Zulassung von Covid-19-Impfstoffen derselbe wie bei anderen Impfstoffen - nur in schnellerer Abfolge, was durch zahlreiche logistische Anpassungen möglich wurde.

Alle in der EU zugelassenen Covid-19-Impfstoffe gelten in ihrer Schutzwirkung als sehr effizient. Die Wirksamkeit variiert indes zwischen den einzelnen Impfstoffen. Den Studiendaten zufolge ist die Wahrscheinlichkeit zu erkranken bei den geimpften Teilnehmerinnen und Teilnehmern zwischen 70 und 95 Prozent geringer als bei den mit Placebos geimpften, fasst etwa das deutsche Gesundheitsministerium zusammen. Auch das österreichische Gesundheitsministerium schreibt, dass die Impfstoffe sehr wirksam seien. Das führt auch die EMA zu allen vier bisher zugelassenen Impfstoffen aus. (hier, hier, hier, hier).

In Österreich erfasst das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) alle vermuteten Nebenwirkungen von Impfstoffen. Der aktuelle Bericht zu vermuteten Nebenwirkungen nach Covid-19-Impfungen bezieht sich auf den Zeitraum vom 27. Dezember 2020 bis zum 28. Mai 2021. In diesem seien 26 085 Meldungen von vermuteten Nebenwirkungen im zeitlichen Zusammenhang mit der Covid-19-Impfung gemeldet worden. Diese entsprächen «sowohl in ihrer Art als auch in ihrer Häufigkeit den aus den Zulassungsstudien zu erwartenden Reaktionen», heißt es. Die Mehrheit sei mild bis moderat gewesen und innerhalb weniger Tage verschwunden.

Das BASG meldet die Daten der EMA. Diese verfasst regelmäßig Sicherheits-Updates zu den in der EU zugelassenen Covid-19-Impfstoffen. In diesen werden neu bemerkte Nebenwirkungen dokumentiert oder alternative Handlungsanweisungen formuliert. Von bedrohlichen Nebenwirkungen ist keine Rede. (hier, hier, hier, hier)

Zur Zulassung, Sicherheit und Wirksamkeit der Impfstoffe gibt es bereits mehrere dpa-Faktenchecks (hier, hier, hier, hier).

Links

EU-Kommission über bedingte Marktzulassung und Zulassungsprozess der Covid-19-Impfstoffe in EU (archiviert)

Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) zur bedingten Marktzulassung der Covid-19-Impfstoffe (archiviert)

EMA über Zulassungsverfahren und Studien der Covid-19-Impfstoffe in EU (archiviert)

Deutsches Gesundheitsministerium über Schutzwirkung der Impfstoffe (archiviert)

Österreichisches Gesundheitsministerium über Schutzwirkung der Impfstoffe (archiviert)

EMA zu Impfstoff von Biontech/Pfizer (archiviert)

EMA zu Impfstoff von Moderna (archiviert)

EMA zu Impfstoff von Astrazeneca (archiviert)

EMA zu Impfstoff von Johnson & Johnson (archiviert)

dpa-Faktencheck zu Covid-Erkrankungen trotz Impfung

BASG-Bericht zu vermuteten Impf-Nebenwirkungen (bis 28.05.2021)(archiviert)

Sicherheits-Update Biontech/Pfizer (archiviert)

Sicherheits-Update Moderna (archiviert)

Sicherheits-Update Astrazeneca (archiviert)

Sicherheits-Update Janssen (archiviert)

dpa-Faktenchecks zu Zulassung, Sicherheit und Wirksamkeit der Covid-19-Impfstoffe:

https://dpa-factchecking.com/austria/210414-99-203871/

https://dpa-factchecking.com/austria/210305-99-703501/

https://dpa-factchecking.com/austria/210312-99-795769/

https://dpa-factchecking.com/austria/210504-99-466142/

Facebook-Posting (archiviert)

Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-oesterreich@dpa.com