Fischer-Zitate über Deutschland teilweise falsch oder nicht belegt

Grünen-Politiker stehen vor der Bundestagswahl in Deutschland in sozialen Medien vermehrt unter Beschuss. Derzeit ist vor allem eine große Anzahl an angeblichen Politiker-Zitaten im Umlauf. So wird derzeit in Postings (hier archiviert) etwa ein Zeitungsausschnitt geteilt, der mehrere Aussagen des ehemaligen Vizekanzlers Joschka Fischer enthalten soll.

Bewertung

Nur das Zitat über deutsche Helden ist wirklich von Fischer. Die anderen Zitate über Deutschland werden ihm fälschlicherweise zugeschrieben oder sind ohne Beleg.

Fakten

Obwohl Fischer seit 2005 nicht mehr als Politiker aktiv ist, werden ihm im Posting folgende Aussagen zugeschrieben:

1. «Deutsche Helden müsste die Welt, tollwütigen Hunden gleich, einfach totschlagen.»
   Dieses Zitat ist echt, wie die Faktenchecker von Correctiv herausgefunden haben. In einer Ausgabe der Frankfurter Stadtzeitung «Pflasterstrand» wurde es 1982 abgedruckt.
   
   
2. «Deutschland muss von außen eingehegt, und von innen durch Zustrom heterogenisiert, quasi verdünnt werden.»
   Dieses Zitat existiert zwar ebenfalls, ist aber nicht von Fischer. In Wirklichkeit stammt es von der Journalistin Miriam Lau, die in einem «Welt»-Artikel vom 7. Februar 2005 auf Fischers Buch «Risiko Deutschland» eingeht.
   
   
3. «Deutschland ist ein Problem, weil die Deutschen fleißiger, disziplinierter und begabter als der Rest Europas (und der Welt) sind. Das wird immer wieder zu "Ungleichgewichten" führen. Dem kann aber gegengesteuert werden, indem so viel Geld wie nur möglich aus Deutschland herausgeleitet wird. Es ist vollkommen egal wofür, es kann auch radikal verschwendet werden - Hauptsache, die Deutschen haben es nicht. Schon ist die Welt gerettet.»
   Für diese angeblichen Aussagen Fischers gibt es keine Belege. Dennoch werden sie stark verbreitet. Eine Google-Suche liefert zahlreiche Ergebnisse, darunter auch Treffer bei Medien wie der «Welt» oder der «Wiener Zeitung». Betrachtet man diese Treffer allerdings näher, erkennt man, dass es sich vor allem um Userkommentare und Foreneinträge handelt.

Bei Recherchen der dpa konnte keine einzige Zitierung auf eine prüfbare Quelle verweisen. Auch Faktenchecker von Correctiv oder Mimikama suchten vergeblich nach der Quelle dieses Zitats.

Der auf Zitatforschung ausgelegte Blog «Falschzitate» nennt einen Kommentar auf dem Blog «pi-news» als frühesten Nachweis des fragwürdigen Zitats. Dort erwähnt die Userin im weiteren Verlauf der Diskussion eine Quelle für ihr Zitat, nämlich eine Blogseite, die sich nur noch in einer archivierten Form finden lässt. Dieser Eintrag vom 16. März 2011 dürfte der älteste abrufbare Onlinepräsenz des Zitats darstellen, lässt aber ebenfalls offen, von wo diese Aussage stammen soll.

(Stand: 27.5.2021)