Angebliche Parasiten sind ungefährliche Textilfasern

09.04.2021, 13:35 (CEST)

Derzeit mehren sich in sozialen Medien die Berichte, auf handelsüblichen FFP2-Masken oder Teststäbchen seien seltsame Fäden oder Härchen zu finden. Dabei handele es sich um sogenannte Morgellons, wird in manchen Beiträgen behauptet (hier archiviert). Gemeint sind Parasiten, die uns krank machen. Es soll sich um Lebewesen handeln, die auf Wärme reagieren und sich bewegen, behauptet ein anderer Beitrag (hier archiviert).

BEWERTUNG: Bei den Fasern handelt es sich nicht um Lebewesen. Es geht um unbedenkliche Stoffe wie Textilfasern, die bei der Produktion auf die Ware gelangen können. Parasiten könnten in der Verpackung eines Schnelltests gar nicht überleben, sagen Experten.

FAKTEN: Morgellons ist die Bezeichnung für eine von den Betroffenen selbst diagnostizierte und vermutlich psychisch bedingte Erkrankung, die wissenschaftlich nicht anerkannt ist. Betroffene glauben, dass Fäden in ihrer Haut eingebettet sind oder aus dieser herauswachsen.

Bei einer Studie der US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) wurden im Jahr 2012 einige dieser Menschen untersucht. Laut Studie gab es keine Hinweise darauf, dass es sich um eine bisher unbekannte Krankheit handelt.

Mediziner tun das Phänomen oft als Wahnvorstellung ab - als eine Variante des sogenannten Dermatozoenwahns, bei dem sich die Patienten einbilden, ihre Haut sei von Parasiten befallen. Begünstigt wird der Irrglaube beispielsweise durch Kokain- und Amphetaminmissbrauch aber auch durch Hirnverletzungen und Erkrankungen des zentralen Nervensystems.

Zumindest die Bildung von Härchen könnte Forschern zufolge aber durch Borreliose erklärbar sein, eine durch Zecken übertragene Infektionskrankheit.

Seit Jahren kämpfen Betroffene um Anerkennung. Dieses Spannungsfeld zwischen Mythos und Wissenschaft haben auch Verschwörungstheoretiker besetzt, wie etwa ein Artikel der Faktenchecker von Mimikama oder auch Webseiten zur angeblichen Morgellons-Krankheit zeigen.

Mark Benecke, Biologe und Sachverständiger für biologische Spuren, konnte bei einem Corona-Antigentest-Stäbchen dunkle, fadenartige Fasern feststellen. Der Deutschen Presse-Agentur sagte er, es handele sich eindeutig um blaue Textilfasern. «Die könnten aus der Fabrik stammen, in dem die Stäbchen hergestellt wurden - zum Beispiel von der Arbeitskleidung der Mitarbeiter.» Die Stäbchen würden erst nach der Produktion sterilisiert. Fotos der Textilfaser finden sich auf seiner Facebook-Seite.

Für die Bewegung der Fäden in den Videos hat er eine natürliche Erklärung: «Wenn man auf die Fasern draufhaucht, nehmen sie die Feuchtigkeit und Wärme aus der Atemluft auf und bewegen sich dann. Auch elektrostatische Anziehungskräfte beispielsweise unter der Verpackungsfolie können für die Bewegung verantwortlich sein.» 

FFP-Masken werden laut Beipackzettel der Hersteller in der Regel aus Polypropylen und Ethylen-Vinyl-Acetat produziert. Die Teststäbchen eines Corona-Antigentests sind in der Regel aus Polyester. Solche synthetischen Stoffe sind für elektrostatische Anziehungskräfte besonders anfällig. Dies belegt etwa eine Studie der Wissenschaftler Chishiko Takatsuki und Teruko Tamura

Auch Herbert Auer, Parasitologe auf der MedUni Wien, schließt aus, dass es sich bei den Fäden auf den Stäbchen um Parasiten handeln könnte. Diese könnten in der Verpackung gar nicht überleben, sagt er. Wenn dort Fasern oder Härchen gefunden werden, «dann ist es eine rein zufällige Kontamination während des Verpackungsprozesses, aber keinesfalls durch Parasiten bedingt».

Das deutsche Unternehmen Nal von Minden, Produzent von Antigen-Schnelltests, bestätigte, dass es sich um Textilfussel handele, die bei der Produktion auf die Stäbchen kämen. «Diese beeinträchtigen aber selbstverständlich nicht die Qualität des Tupfers und sind nicht als „Verunreinigung” zu sehen. Tatsächlich atmet jeder von uns täglich Staub und Fussel ein, die zuverlässig von unseren Schleimhäuten wieder nach außen transportiert werden», erklärte eine Sprecherin.

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Links:

Beitrag auf Facebook: https://www.facebook.com/pia.vanelly/posts/4231899703489160 (archiviert: https://archive.is/xSks5)

Weiterer Beitrag auf Facebook: https://www.facebook.com/ulli.kerle/posts/3709109925868573(archiviert: https://archive.is/Du4Vr)

CDC-Studie: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0029908 (archiviert: https://archive.is/v3WBg)

Wissenschaftlicher Aufsatz zu Morgellon und Borreliose: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5072536/ (archiviert: https://archive.ph/V8tSB)

«Mimikama»-Artikel: https://www.mimikama.at/aktuelles/chemtrail-regen/ archiviert: https://archive.is/VHg0C)

Informationsseite zu Morgellons: https://www.volkskrankheit-parasiten.org/parasiten/morgellons (archiviert: https://archive.is/yrZG0)

Foto der Textilfaser unter einem Mikroskop: https://www.facebook.com/markbenecke/photos/pcb.3926410090712996/3926408730713132/ (archiviert: https://archive.ph/Ad8OS)

Studie zu elektrostatischen Anziehungskräften: https://www.jstage.jst.go.jp/article/senshoshi1960/34/9/34_9_466/_article (archiviert: https://archive.ph/KEKVO)

Beipackzettel Moldex-FFP-Masken: https://www.moldex-europe.com/fileadmin/user_upload/documents/de/downloads/TDS_FFP_SMART-Pocket_DE_Rev03-16.pdf (archiviert: http://dpaq.de/xerjP)

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