Zahl der Corona-Toten falsch - Über Hunger wird medial berichtet

19.3.2021, 16:28 (CET)

Auf Facebook macht derzeit ein Sharepic (hier archiviert) die Runde, in dem angebliche Todeszahlen in Verbindung mit dem Coronavirus den Hungertoten weltweit gegenübergestellt werden. Behauptet wird in dem Beitrag, dass in zwei Monaten lediglich 361 Menschen an den Folgen des Coronavirus verstorben seien. Gleichzeitig würden jedoch 24 000 tägliche Hungertote medial verschwiegen. Belege werden dazu keine angeführt.

BEWERTUNG: Die im Sharepic angeführten Corona-Todeszahlen sind falsch. Die Zahl der Hungertoten kann nicht eindeutig widerlegt werden. Die Behauptung, über das Hungerproblem würde nicht berichtet, ist jedoch falsch. Während die Pandemie zwar jüngst das mediale Geschehen dominiert hat, fand sich in den vergangenen Monaten eine Vielzahl von Zeitungsberichten über Mangelernährung, Hungersnöte und Hungertote.

FAKTEN: Das Corona-Pandemie hat bekanntlich Ende Dezember 2019 in der chinesischen Stadt Wuhan ihren Ausgangspunkt genommen und sich in den Folgemonaten wie ein Lauffeuer über den Globus verbreitet. Laut aktuellen Daten (Stand: 17. März 2021) der Weltgesundheitsorganisation WHO sind seit Ausbruch der Pandemie weltweit mehr als 2,6 Millionen Menschen an den Folgen des Virus und der Lungenkrankheit Covid-19 verstorben. Allein im Februar und März 2021 beläuft sich die Zahl der Corona-Toten auf mehr als 420 000, wie sich aus Daten der amerikanischen Johns-Hopkins-Universität herausrechnen lässt (Stand: 17. März 2021).

Eine Rückverfolgung des verbreiteten Fotos ergibt, dass dieses auch schon am 27. Februar 2020 (hier archiviert) gepostet worden ist und seitdem Tausende Male geteilt wurde. Doch auch aus damaliger Sicht ist die behauptete Zahl von 361 Corona-Toten innerhalb von zwei Monaten falsch. Das Portal Statista etwa gibt die tatsächliche Zahl der bis zu diesem Datum, also rund zwei Monate nach dem Beginn der Pandemie, im Zusammenhang mit dem Coronavirus Verstorbenen mit 2804 an. Statista beruft sich auf Zahlen der Johns-Hopkins-Universität. Ein Abgleich mit den Daten der WHO zeigt dabei keine wesentlichen Differenzen.

Etwas komplizierter verhält es sich mit einer exakten Einschätzung der jährlichen Todeszahlen als Folge von Unterernährung. So lassen sich weder dem aktuellen «Global Report on Food Crises» des Welternährungsprogramms WFO der Vereinten Nationen noch dem sogenannten «SOFI-Report» der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO genaue Daten dazu entnehmen. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters bezifferte FAO-Chef David Beasley die Zahl der Hungertoten im Corona-Jahr 2020 aber mit 7 Millionen - das wären im Schnitt rund 19 000 Hungertote am Tag. Die im Posting genannte Zahl von 24 000 kann hingegen nicht verifiziert werden. Es ist unklar, worauf sie beruht.

Unabhängig von der konkreten Zahl an Hungertoten weltweit ist es nicht richtig, dass der Problematik medial jüngst keine Beachtung geschenkt wurde. Die «Kleine Zeitung» etwa berichtete im Februar 2021 über die Hungerkrise in Syrien, im Österreichischen Rundfunk (ORF) wurde unlängst die kritische Situation im Jemen thematisiert. UN-Warnungen gaben zudem kürzlich der Nachrichtenagentur AP Anlass, über eine sich anbahnende Hungerkatastrophe in vielen Ländern der Welt zu informieren.

Auch zuvor, im «Corona-Jahr» 2020, wurde in vielen Medien ausführlich berichtet. Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» etwa titelte: «Droht einer Milliarde Menschen Hunger?». Zu lesen ist darin, dass sich Corona als «Brandbeschleuniger» der Situation erweisen und sich die Zahl der vom Hungertod gefährdeten Personen bis Ende des Jahres auf 270 Millionen verdoppeln könnte. In der Wochenzeitung «Die Zeit» wurde vor potenziellen Hungersnöten und mehreren Millionen Toten im Zuge globaler Lockdowns gewarnt. Die «Welt» wiederum beleuchtete eine befürchtete Trendumkehr mit Blick auf vergangene Erfolge im Kampf gegen den Hunger.

Ähnliche Berichte sind den Tageszeitungen «Der Standard», «Die Presse» und den «Salzburger Nachrichten» zu entnehmen. Auch im englischsprachigen Raum wird man mehrfach fündig: Neben der «New York Times» griffen den Themenkomplex unter anderem der «Guardian» und die «Washington Post» auf.

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Hinweis: Im ersten Absatz war in einer ersten Version des Texts fälschlicherweise von «den vergangengen zwei Monaten» die Rede. Wir haben die Formulierung korrigiert - richtig ist «in zwei Monaten».

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Links:

WHO-Coronavirus-Dashboard: https://covid19.who.int/ (archiviert: https://archive.is/UIT5J)

Dashboard der Johns-Hopkins-Universität: https://coronavirus.jhu.edu/map.html (archiviert: https://archive.is/LrFj1)

Statista-Zahlen zu Corona-Toten: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1103240/umfrage/entwicklung-der-weltweiten-todesfaelle-aufgrund-des-coronavirus/ (archiviert: https://archive.is/X55fY)

Global Report on Food Crises des WFP: https://docs.wfp.org/api/documents/WFP-0000114546/download/?_ga=2.99568926.1488889232.1615983420-660103253.1615983420&_gac=1.251588980.1615983672.Cj0KCQjw0caCBhCIARIsAGAfuMxjSf03aiI-vOUXJgUDRWt9BTZRdORysfV6cQtiGJVeVqz-qkeYLygaAoamEALw_wcB (archiviert: https://perma.cc/22YF-XKTW)

SOFI-Report der FAO: https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOFI2020_EN_web.pdf (archiviert: https://perma.cc/KA74-RW3T)

Reuters-Bericht inklusive Zitat von Beasley: https://www.reuters.com/article/uk-wfp-aid-idUKKBN26Y1RJ (archiviert: https://archive.is/mdMjy)

Artikel der «Kleinen Zeitung»: https://www.kleinezeitung.at/international/5940217/Zwoelf-Millionen-hungern_Bislang-schlimmste-Hungerkrise-in-Syrien (archiviert: https://archive.is/yKR2J)

Artikel auf «Orf.at»: https://orf.at/stories/3203663/ (archiviert: https://archive.is/HOkBw)

AP-Artikel: https://apnews.com/article/hunger-coronavirus-pandemic-antonio-guterres-famine-covid-19-pandemic-d2c3634a9ceaff7fa6324a63eb158c85 (archiviert: https://archive.is/YkaS4)

«FAZ»-Artikel: https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/corona-droht-einer-milliarde-menschen-hunger-16850273.html (archiviert: https://archive.is/WRpvs)