Behauptungen zu WHO, Maskenpflicht und Friseuren falsch

18.02.2021, 11:02 (CET)

Die Verbreitung von falschen Informationen rund um die Corona-Pandemie reißt auch beinahe ein Jahr nach Auftreten der ersten Fälle in Österreich nicht ab. In einem Facebook-Posting (hier archiviert) werden derzeit etwa einige Behauptungen aufgestellt: Es gebe keine Pandemie mehr, da die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 15. Oktober 2020 bestätigt habe, dass Corona gleichzusetzen sei mit der Influenza. Die geltende Maskenpflicht sei vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) aufgehoben worden und die Regierung setze sie weiter ein. Da der VfGH bereits 80 Prozent der Verordnungen von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) aufgehoben habe, bedeute das, dass auch alle zukünftigen Verordnungen aufgehoben werden würden. Friseure dürften - im zum Erstellungszeitpunkt des Postings geltenden Lockdown - im mobilen Service arbeiten. Im privaten Bereich würden nämlich keine der Regelungen greifen.

BEWERTUNG: Die genannten Behauptungen sind falsch. Die WHO hat nicht bestätigt, dass das Coronavirus gleichzusetzen ist mit der Grippe. Die Maskenpflicht gilt weiterhin. Der VfGH hat zwar einzelne Covid-19-Maßnahmen aus formalen Gründen rückwirkend für verfassungswidrig erklärt. Damit werden jedoch nicht automatisch alle zukünftigen Verordnungen aufgehoben. Friseure durften im Lockdown auch nicht im mobilen Service arbeiten.

FAKTEN: Als Beleg für die WHO-Behauptung teilt der Poster einen Link zu einem Artikel, der sich auch auf der Webseite der Weltgesundheitsorganisation findet. In dem Text vom 14. Oktober 2020 geht es aber um die Infektionssterblichkeitsrate von Covid-19. Diese sei keine feste physikalische Konstante, sondern könne von Ort zu Ort erheblich variieren. Die analysierten Studien würden 82 verschiedene Schätzungen der Infektionssterblichkeitsrate von Covid-19 darlegen, heißt es in dem Text. Das Wort Grippe oder Influenza taucht im Text kein einziges Mal auf.

Ähnliche Behauptungen zur WHO kursierten bereits in der Vergangenheit. Einen Faktencheck der Deutschen Presse-Agentur (dpa) gibt es etwa bereits zu der Behauptung, die WHO habe die Gefahr von Corona mit der von Grippeviren gleichgesetzt. Auch das hat die WHO nicht gemacht. Im Gegenteil: Bereits im März 2020 teilte die WHO mit, dass die Sterblichkeit bei Covid-19 höher zu sein scheine als bei der Influenza. Unterschiede gebe es auch beim Anteil derer, die einen schweren Krankheitsverlauf haben – auch hier ist demnach bei Covid-19 der Anteil höher.

Die Corona-Pandemie gibt es weiterhin. Die Weltgesundheitsorganisation hat die Epidemie am 11. März 2020 zu einer Pandemie hoch- und seither nicht zurückgestuft, wie sich aus einem aktuellen Update herauslesen lässt.

Über 100 Verordnungen gab es seit Ausbruch des Coronavirus in Österreich bereits, die mit Covid-19 in Zusammenhang stehen und vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Rudolf Anschober (Grüne), erlassen wurden. Mit Teilen davon beschäftigte sich der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in der Vergangenheit.

Im Oktober 2020 erklärte er etwa mehrere Covid-19-Maßnahmen, die im Frühjahr 2020 gegolten hatten, aus formalen Gründen rückwirkend für verfassungswidrig. Dazu zählte auch die Maskenpflicht an öffentlichen Orten in geschlossenen Räumen. Die entsprechenden Verordnungen, die die Passagen enthielten, sind aber schon lange nicht mehr in Kraft und wirken sich nicht auf die derzeit geltenden Covid-19-Maßnahmen aus. Dazu gibt es bereits einen dpa-Faktencheck.

Es gilt also sowohl derzeit als auch zum Entstehungszeitpunkt des Postings eine Maskenpflicht unter anderem an allen öffentlichen Orten in geschlossenen Räumen. Die Regierung setzt sie nicht – wie im Posting behauptet – «gesetzwidrig» wieder ein und sie ist auch nicht «nach wie vor verfassungswidrig», denn Entscheidungen des VfGH können nicht automatisch von einem auf den anderen Fall umgelegt werden.

Dass der VfGH Verordnungen aufgehoben hat, ist kein Beweis dafür, dass er dies auch bei zukünftigen Verordnungen tun wird. Für eine neuerliche Aufhebung ist prinzipiell eine neuerliche Prüfung notwendig. Voraussetzung dafür ist, dass dem VfGH ein zulässiger Antrag vorliegt, wie eine Sprecherin des VfGH der dpa bereits für einen früheren Faktencheck sagte. Das lässt sich auch bei den FAQ des VfGH nachlesen: Der Verfassungsgerichtshof kann nicht von sich aus tätig werden, Voraussetzung dafür, dass er tätig werden kann, ist immer ein an ihn gestellter Antrag.

Hervorzuheben ist auch, dass der VfGH die Maskenpflicht damals nicht aus inhaltlichen, sondern aus formalen Gründen für gesetzwidrig erklärt hatte. Es sei ihm nicht nachvollziehbar gewesen, auf Grund welcher tatsächlichen Umstände der Gesundheitsminister die jeweilige Maßnahme für erforderlich gehalten habe. In so einem Fall kommt es zu gar keiner inhaltlichen Prüfung mehr.

Falsch ist zudem die Behauptung über Friseure. Zum Erstellungszeitpunkt des Postings (2. Februar 2021) war in Österreich Lockdown. Das bedeutet, dass unter anderem Friseure geschlossen halten mussten – das betraf auch das mobile Service, also etwa das Haareschneiden zuhause. Dafür wurde Ende November 2020 extra eine Rechtslücke in der Covid-19-Notmaßnahmenverordnung (12. § 6 Abs. 5) geschlossen. Auch die Wirtschaftskammer Österreich berichtete darüber.

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Links:

WHO-Bericht (14.10.2020): https://www.who.int/bulletin/volumes/99/1/20-265892/en/ (archiviert: https://perma.cc/X5UY-CVKS)

dpa-Faktencheck zur Weltgesundheitsorganisation (WHO): https://dpa-factchecking.com/germany/201111-99-300189/

WHO über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Covid-19 und Influenza: https://www.who.int/news-room/q-a-detail/coronavirus-disease-covid-19-similarities-and-differences-with-influenza (archiviert: https://archive.is/R95hQ)

WHO rief Corona-Pandemie aus: https://www.who.int/director-general/speeches/detail/who-director-general-s-opening-remarks-at-the-media-briefing-on-covid-19---11-march-2020 (archiviert: https://archive.is/ewkcA)

WHO-Update zu Corona-Pandemie (13.2.2021): https://cdn.who.int/media/docs/default-source/3rd-edl-submissions/wou_2021_13feb_cleared118e881a-cfca-46d2-9d69-50a44de2ed8b.pdf?sfvrsn=556f9e90_1&download=true (archiviert: https://perma.cc/T9JX-QSAZ)

dpa-Faktencheck zu VfGH-Beschluss zu Maskenpflicht: https://dpa-factchecking.com/austria/210208-99-356755/

Derzeitige Maßnahmen gegen Covid-19 laut Gesundheitsministerium (12.2.2021): https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Aktuelle-Ma%C3%9Fnahmen.html (archiviert: https://archive.is/F4R3I)

Maßnahmen gegen Covid-19 laut Gesundheitsministerium am 2.2.2021 (archiviert): http://dpaq.de/O4YqC

dpa-Faktencheck zu VfGH-Entscheidungen: https://dpa-factchecking.com/austria/210120-99-102260/

FAQ des VfGH: https://www.vfgh.gv.at/service/faq.de.html (archiviert: https://perma.cc/MRR2-FE7C)

Presseaussendung des VfGH (29.10.2020): https://www.vfgh.gv.at/medien/Entscheidungen_Oktober-Session.php (archiviert: https://archive.is/aoPqt)    

Mit dem Coronavirus in Zusammenhang stehende Gesetze und Verordnungen in chronologischer Reihenfolge: https://www.oesterreich.gv.at/themen/coronavirus_in_oesterreich/Rechtliche-Grundlagen.html

Presseaussendungen des VfGH: https://www.vfgh.gv.at/medien/news_2020.de.html

WKO-Aussendung: https://news.wko.at/news/oesterreich/Koerpernahe-Dienstleister:-Gleiche-Taetigkeiten-werden-gl.html (archiviert: https://perma.cc/J75W-YH4T)

Entsprechende Verordnungen zu Friseuren:
528. Verordnung: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2020_II_528/BGBLA_2020_II_528.pdfsig (archiviert: https://archive.is/dTfhT)

479. Verordnung: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2020_II_479/BGBLA_2020_II_479.html (archiviert: https://archive.is/hH8mH)

Zum Zeitpunkt des Postings geltende 27. Verordnung: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2021_II_27/BGBLA_2021_II_27.pdfsig (archiviert: https://archive.is/tPTwE)

Facebook-Posting: https://www.facebook.com/konstantin.haslauer/posts/10219301760963566 (archiviert: https://archive.is/qGkOn)

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Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-oesterreich@dpa.com