Keine Hinweise auf Marx als Autor - Liste findet sich auch in antisemitischem Text

30.03.2021, 12:45 (CEST)

Eine Liste kursiert in Sozialen Netzwerken, angeblich soll sie von Karl Marx stammen. Sie besteht aus 19 Punkten, darunter «Die Jugend durch falsche Grundsätze verderben», «Die Familien zerstören» und «Vermögen schluckende Monopole schaffen». Aktuell verweisen User (hier archiviert) etwa auf den letzten Punkt, bei dem es heißt: «Menschen durch Impfgifte gesundheitlich schädigen». Als Quelle der Liste ist «Katalog-Nr. 3926 im britischen Museum London» angegeben.

BEWERTUNG: Dass die Liste von Karl Marx stammt, kann nicht belegt werden. Die als Quelle genannte Kennzahl im British Museum existiert nicht, wird aber auch regelmäßig in Zusammenhang mit einem antisemitischen Text genannt, in dem viele der aufgelisteten Punkte vorkommen.

FAKTEN: In dem abfotografierten Text mit der Liste wird diese mit Marx' «Das Kapital» in Zusammenhang gebracht. Eine Suche in einer Onlineausgabe mit Schlagwörtern wie «Impfgifte», «Ungebildete» oder «Familien zerstören» liefert allerdings keine passenden Ergebnisse.

Michael Quante von der Universität Münster erklärte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, dass die Liste nicht von Marx stamme. Er kenne keine Quelle, in der diese Punkte gesammelt auftauchen. Zudem habe Marx keine derartigen Handlungsempfehlungen gegeben, sondern sich weitgehend auf Diagnosen beschränkt.

Als Quelle der geteilten Liste ist in dem Facebook-Posting eine Katalognummer aus dem Britischen Museum in London angegeben. Unter der angegebenen Katalognummer 3926 ist jedoch bei der Online-Suche gar kein Eintrag zu finden.

In der Suche der Bibliothek des British Museum lassen sich zwei Einträge finden. Zum einen eine Studie über Zeus von Arthur Bernard Cook und «Italian baroque drawings» von Nicholas Turner. Eine Suche nach «Marx» und «3926» liefert dort keine Ergebnisse. Bereits im Februar 2020 fanden sich unter der genannten Kennzahl in den Archiven keine Werke, in denen die Liste von Marx enthalten ist.

Es lassen sich jedoch Hinweise finden, woher die Kennzahl stammen könnte. Eine fast identische Quellenangabe steht nämlich im Zusammenhang mit einer bekannten antisemitischen Schrift, den sogenannten «Protokollen der Weisen von Zion». Darin heißt es, dass sich eine Kopie des Originals im Britischen Museum befinde. Die Kennzahl laute 3926 d 17.

Viele der auf der Liste zusammengefassten Punkte kommen auch in diesem Text vor. Auch dort steht, dass die Jugend bewusst durch falsche Grundsätze verdummt worden sei (9. Protokoll). Angeblich sollen Monopole geschaffen werden, von denen die Staaten abhängig sind, und durch gesteuerte Preissteigerungen solle trotz Lohnerhöhungen ein Reallohnverlust verursacht werden (beide 6. Protokoll).

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Links:

Beitrag auf Facebook: https://www.facebook.com/VeronicaQvs/posts/4464860680194882 (archiviert: https://archive.is/nc5AH)

Online-Version von «Das Kapital»: http://ciml.250x.com/archive/marx_engels/german/kapital1.pdf (archiviert: https://perma.cc/G67S-LWWU)

Suche beim British Museum: https://www.britishmuseum.org/collection/search?museum_number=3926 (archiviert: https://archive.is/em3GY)

Suche bei der Bibliothek des British Museum: http://dpaq.de/S2Nzq (archiviert: https://archive.ph/smRHY)

Suche nach Marx und 3926: http://dpaq.de/RLi1f (archiviert: https://archive.ph/P3lTz)

dpa-Faktencheck vom 17. Februar 2020: https://www.presseportal.de/pm/133833/4522945

Suche nach «Marx» in «Zeus: a study in ancient religion»: https://archive.org/details/zeusstudyinancie01cookuoft/page/28/mode/2up

Katalognummer in «The Jewish Peril: Protocols of the Learned Elders of Zion»: https://books.google.de/books?hl=de&id=es8_gf4SUPEC&dq=%223926%22&q=3926#v=snippet&q=3926&f=false (archiviert: http://dpaq.de/RrgeW)

Ausgabe der «Protokolle der Weisen von Zion»: http://www.judaica-frankfurt.de/download/pdf/177619

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