Corona-Schnelltests deutlich zuverlässiger als behauptet

16.12.2020, 15:12 (CET)

In den vergangenen zwei Wochen fanden in Österreich landesweit Corona-Massentests statt. Getestet wurde mittels Antigen-Schnelltests. Einige Menschen zweifeln an deren Genauigkeit und stellen die Sinnhaftigkeit der Massentests daher infrage. Es sei Unsinn Gesunde zu testen, schreibt etwa ein Facebook-User. «MASSENTESTUNG bei Gesunden = 98% FALSSCH POSITIVE» (sic), heißt es in einem oft geteilten Posting (hier archiviert). Als Beleg wird ein Dokument des deutschen Robert Koch-Instituts (RKI) angeführt.

BEWERTUNG: Das ist missverständlich. Nicht bei der gesamten Massentestung sind 98 Prozent falsch-positiv, sondern bei den positiven Tests sind nur zwei Prozent der Getesteten wirklich infiziert, so das RKI-Dokument. Bei den Tests in Österreich fiel das nicht weiter ins Gewicht, weil nach einem positiven Antigen-Testergebnis mittels PCR-Test erneut getestet wurde, um das positive Testergebnis zu bestätigen.

FAKTEN: Das im Posting angeführte Dokument des Robert Koch-Instituts (RKI) soll dabei helfen, Testergebnisse von Antigen-Schnelltests auf Sars-CoV-2 einzuordnen. Darin werden zwei Testansätze verglichen: links Massentestungen, wie sie in Österreich stattfanden, und rechts «gezielteres Testen» von Personen, die Symptome haben. 

Bei den Massentestungen fallen laut RKI von 10 000 Getesteten 204 Tests positiv und 9.796 negativ aus. Von den Positiven sind aber nur vier Menschen tatsächlich infiziert und 200 nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein positiver Test richtig liegt, liegt also unter diesen Voraussetzungen bei nur 2 Prozent. Im Umkehrschluss: 98 Prozent der positiven Tests sind bei Massentests falsch-positiv.

Das bedeutet aber nicht, dass Massentests generell eine Rate von 98 Prozent falsch-positiven Ergebnissen haben, wie im Posting ausgeführt. Denn dann müsste es unter 10 000 getesteten Menschen 9 800 falsch-positive Ergebnisse ergeben. Tatsächlich sind aber unter 10 000 nur 200 falsch-positive Testergebnisse.

Bei den Massentests in Österreich wurde nach jedem positiven Antigen-Schnelltest mittels PCR-Test nachgetestet, ob tatsächlich eine Infektion vorliegt. Nur wenn auch der PCR-Test positiv war, musste die begonnene Quarantäne fortgesetzt werden, so die FAQs des Gesundheitsministeriums.

Wie die APA am 14. Dezember berichtete, lag die Positivquote österreichweit bei nur etwa 0,2 Prozent aller Tests. Regional gab es indes große Unterschiede. Es liegen noch keine endgültigen Zahlen dazu vor, wie viele der positiven Antigentests falsch-positiv waren (Stand: 16.12.2020).

In einzelnen Bundesländer gab es allerdings Informationen dazu. So sagte etwa ein Sprecher von Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) am 9. Dezember der APA, dass bis dahin mehr als die Hälfte der positiven Schnelltests in Wien nicht durch einen positiven PCR-Test bestätigt wurden. Zu diesem Zeitpunkt war die Testung allerdings noch nicht beendet. In Tirol hieß es am 8. Dezember laut der APA, dass ein Drittel der positiven Antigen-Massentests falsch-positiv gewesen seien.

In Niederösterreich seien bis 15. Dezember rund 70 Prozent der positiven Antigentests durch PCR-Nachuntersuchungen bestätigt worden. In Oberösterreich hätten die bis 14. Dezember ausgewerteten PCR-Tests zu 77 Prozent die positiven Ergebnisse bestätigt. In Vorarlberg seien es rund 15 Prozent der positiven Antigentests gewesen, die falsch-positiv waren. In einigen Bundesländern lag die Rate der falsch-positiven Schnelltests den vorläufigen Informationen zufolge also bei einem Drittel oder darunter.

Prinzipiell sind die Ergebnisse von Antigen-Schnelltests nicht so zuverlässig wie von PCR-Tests, wie auch Studien zeigen. Es geht hier vor allem um zwei Größen: Die Sensitivität gibt an, wie zuverlässig der Test Erkrankte als solche erkennt. Die Spezifität zeigt, ob er Nicht-Infizierte tatsächlich als gesund erkennt.

Ein Forscherteam der Berliner Charité rund um den Virologen Christian Drosten hat sieben Tests verglichen. Dabei lag die Spezifität der untersuchten Tests zwischen 88,24 Prozent und 100 Prozent. Die Sensitivität «überlappt mit den Virenkonzentrationen», heißt es in der Studie von November 2020. Das bedeutet: Je infektiöser der Patient ist, desto besser kann der Test das erkennen. Die Sensitivität lasse sich nicht eindeutig festmachen, da dabei die Viruslast und der Testzeitpunkt eine Rolle spielten. Sinnvoll sei die Anwendung von Antigentests im Wesentlichen in der ersten Woche, in der Symptome auftreten, so die Studie.

Laut einer in der «Cochrane Library» im August veröffentlichten Meta-Studie variiert die Sensitivität bei Antigentests beträchtlich - sowohl zwischen Studien als auch zwischen Test-Herstellern. Die durchschnittliche Sensitivität liege bei 56,2 Prozent und die durchschnittliche Spezifität bei 99,5 Prozent. Für ihre Auswertung berücksichtigten die Wissenschaftler die Ergebnisse von fünf Studien.

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Links: 

Dokument des deutschen Robert Koch-Instituts (RKI): https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Infografik_Antigentest_PDF.pdf?__blob=publicationFile (archiviert: http://dpaq.de/peK9y)

FAQ des Gesundheitsministerium zu Massentests: https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen/FAQ--Bevoelkerungsweite-Testungen.html (archiviert: https://perma.cc/FA3Z-UR63)

Studie in «Cochrane Library» (August 2020): https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD013705/full (archiviert: https://archive.is/tkW45#4%)

Studie der Berliner Charité (November 2020): https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.11.12.20230292v1 (archiviert: https://archive.is/m1r4J#6%)

«ZDF»-Artikel über Studie: https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/coronavirus-antigentest-pcr-genauigkeit-studie-drosten-100.html (archiviert: https://archive.is/c12PM)

Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO): https://www.who.int/publications/i/item/antigen-detection-in-the-diagnosis-of-sars-cov-2infection-using-rapid-immunoassays (archiviert: http://dpaq.de/JpIcD)

Empfehlung des Robert Koch-Instituts (RKI): https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html;jsessionid=3A503965D3186649CF9915D68E12F8EA.internet072#doc13490982bodyText6 (archiviert: https://archive.is/R2H5X#28%)

APA-Artikel («Salzburger Nachrichten») zu Positivrate bei Tests (14.12.2020): https://www.sn.at/panorama/oesterreich/mehr-als-zwei-millionen-menschen-bei-corona-massentests-in-oesterreich-96977629 (archiviert: https://archive.is/qkwyd#33%)

APA-Artikel («salzburg24.at») zu falsch-positiven Tests in Wien (9.12.2020): https://www.salzburg24.at/news/oesterreich/corona-massentests-antige n-tests-in-wien-oft-falsch-positiv-96776104 (archiviert: https://archive.is/oqoPN)

APA-Artikel («Kurier») zu falsch-positiven Tests in Tirol (8.12.2020): https://kurier.at/chronik/oesterreich/tirol-jeder-dritte-positive-an tigen-test-falsch-positiv/401122323 (archiviert: https://archive.is/dPxr8)

APA-Artikel («vienna.at») zu falsch-positiven Tests in Niederösterreich (15.12.2020): https://www.vienna.at/massentests-in-noe-452-positive-resultate-bestaetigt/6839741 (archiviert: https://archive.is/xLDqH#30%)

APA-Artikel («OÖNachrichten») zu falsch-positiven Tests in Oberösterreich (14.12.2020): https://www.nachrichten.at/oberoesterreich/ueber-325000-teilnehmer-kurz-vor-schluss-in-oberoesterreich;art4,3332101 (archiviert: https://archive.is/zyenJ#20%)

APA-Artikel («ORF») zu falsch-positiven Tests in Vorarlberg (7.12.2020): https://vorarlberg.orf.at/stories/3079549/ (archiviert: https://archive.is/ESfLJ)

Unterscheidung zwischen verschiedenen Corona-Tests: https://www.fda.gov/consumers/consumer-updates/coronavirus-disease-2019-testing-basics (archiviert: https://archive.is/ac99J#28%)

APA-Artikel zu Antigentests: https://www.vienna.at/coronavirus-so-genau-sind-die-antigen-massente sts/6825912 (archiviert: https://archive.is/HAkvV)

«Die Presse»-Artikel zu Antigentests: https://www.diepresse.com/5901512/massentests-die-angst-vor-falsch-positiven-ergebnissen-ist-unberechtigt (archiviert: https://perma.cc/C9UA-NUCN)

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Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-oesterreich@dpa.com