CO2-Messgerät ungeeignet für Atemluft-Messung unter der Maske

08.09.2020, 17:11 (CEST)

Mund-Nasen-Bedeckungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sollen angeblich der Gesundheit schaden, behaupten manche in den sozialen Netzwerken. Der Grund: Unter den Masken sammle sich zu viel Kohlendioxid (CO2). Als Beleg wird ein Video verbreitet, in dem die Luft unter einer chirurgischen Maske beim Atmen mit einem «CO2-Sensor» analysiert wird. «Bereits nach wenigen Atemzügen wird die maximale Arbeitsplatzkonzentration von 1000 ppm um das 10-fache überschritten», wird in dem Facebook-Posting behauptet. Bei stundenlangem Arbeiten mit der Maske habe man eine CO2-Konzentration von mehr als 10 000 ppm – «ob das gesund ist, sei dahingestellt», heißt es am Ende des Videos.

BEWERTUNG: Die Messung in dem Video ist irreführend, denn das Gerät ist nicht für diesen Zweck konzipiert. Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ist für gesunde Menschen grundsätzlich unbedenklich und führt nicht dazu, dass sie eine gesundheitsgefährdende Menge an Kohlendioxid einatmen.

FAKTEN: Auf Facebook kursieren verschiedene Versionen des Videos, verwendet wird aber dasselbe Gerät, nämlich ein CO2-Messgerät. Dieses ist für die Analyse der Raumluft konzipiert. Solche Geräte sind auf normale Umgebungswerte geeicht. Versucht man, die Luft unter einer Maske mit einem einfachen Modell dieser Art zu analysieren, werden die Ergebnisse verfälscht, erklärt Professor Uwe Pliquett vom Institut für Bioprozess- und Analysenmesstechnik in Thüringen der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage.

Der Kohlendioxid-Gehalt in der Luft wird meist mittels Infrarot-Sensoren (IR) gemessen. Einfache IR-Sensoren sind laut Pliquett auf einen Luftdruck von 1 Bar, Raumtemperatur und eine mittlere Feuchte kalibriert.

Das Milieu unter der Maske wird aber erheblich durch den Atemprozess bestimmt. Wesentlichen Einfluss auf die Messung hat dabei die Ausatemluft mit einem so hohen CO2-Spiegel, dass jedes Raumluft-Gerät sofort Alarm schlägt, wie Pliquett erklärt. Hinzu komme der höhere Druck, der den angezeigten Wert um 10 bis 20 Prozent steigen lasse. Die Luft unter der Maske ist zudem nicht mit der Atemluft gleichzusetzen, da man mehr Luft einatmet als nur die unter dem Mundschutz.

Experten sehen die Befürchtung, dass sich unter Masken zu viel CO2 sammle, grundsätzlich als unbegründet an. Nach Angaben der Deutschen Atemwegsliga sei bei einem einfachen chirurgischen Mundschutz oder einer selbst hergestellten Mund-Nasen-Bedeckung ein Anstieg des Kohlendioxids unwahrscheinlich - weil diese Masken nicht völlig dicht seien. Lediglich bei Patienten mit chronischer Atemschwäche könnten der Kohlendioxidanteil und die «Atemarbeit» ansteigen, «so dass die Bedeckung von Mund und Nase als unangenehm oder bedrohlich und subjektiv als Atemnot empfunden wird».

Auch bei professionellen Masken (FFP2, FFP3) seien bedrohliche Anstiege des CO2-Gehalts im Blut wegen Masken «unwahrscheinlich». Diese hätten aber einen «erheblichen Atemwiderstand». Man brauche also mehr Kraft für die Atmung. Das könne bei kranken Patienten zu «erheblicher Atemnot» führen. Der Anteil des Kohlendioxids im Blut könne ansteigen. «In der Praxis werden die Betroffenen jedoch rechtzeitig die Maske absetzen», heißt es auf der Website der Deutschen Atemwegsliga.

Ähnliche Videos von irreführenden CO2-Messungen kursieren auch im englischsprachigen Raum. Verschiedene Faktenchecks haben die Aussagen darin bereits als Falschbehauptungen eingestuft.

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Links:

Facebook-Posting: https://www.facebook.com/gudrun.weinberger/videos/3411174355643709/ (archiviert: http://dpaq.de/yT0n7, archiviertes Video: http://dpaq.de/WWsIP)

dpa-Faktencheck zu ähnlichem Video: https://dpa-factchecking.com/germany/200817-99-199126/

Institut für Bioprozess- und Analysenmesstechnik:
https://www.iba-heiligenstadt.de/

Mitteilung Atemwegsliga:
https://www.atemwegsliga.de/service-220/information-zu-covid-19/maskenpflicht.html (archiviert: http://archive.vn/HCFuj)

Faktencheck 1:
https://healthfeedback.org/claimreview/videos-use-gas-sensors-to-misleadingly-claim-that-wearing-a-face-mask-causes-oxygen-deficiency/?fbclid=IwAR3cV1TWjpgJ9Z8bNijZHBUvpUqUovZ4V4LcCpN3k_zDflvLL3H1TaZ7sEY
(archiviert: http://archive.vn/CrikS)

Faktencheck 2:
https://www.factcheck.org/2020/07/video-presents-flawed-test-on-masks-oxygen-levels/ (archiviert: http://archive.vn/U0Ifv)

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Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-oesterreich@dpa.com